02 Feb 2019

Abschiedsvorlesung Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup

von Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup

 

 

Originalmanuskript der Abschlussvorlesung anlässlich meiner feierlichen Emeritierung.

 

Prof. Dr. rer. pol. Heinz-J. Bontrup
Dipl.-Ökonom, Dipl.-, Betriebswirt

Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande

 

Abschiedsvorlesung am 24. Januar 2019 an der Westfälischen Hochschule

 

Prolog

Auf Schalke sagt man, die „Hütte ist voll“: Ausverkauft! Ich freue mich, dass so viele, dass Sie, dass Ihr alle gekommen seid.

Es ist meine letzte offizielle Vorlesung.

Fast ein Vierteljahrhundert war ich an der Westfälischen Hochschule.

Fast 40 Jahre im Erwerbsleben.

Damit habe ich aber nicht den Rentenhöchstwert erreicht. Dies allein macht deutlich, welch hoher Stellenwert der lebendigen Arbeit in der Gesellschaft beigemessen wird. Ich komme darauf noch zurück.

Nach Schul- und Hochschulausbildung zuerst bei MBB in der Luft- und Raumfahrtindustrie (Preisprüfung und -Verhandlung mit dem Staat als öffentlichen Auftraggeber), danach Progress-Institut für Wirtschaftsforschung (Gutachter- und Beratungstätigkeit, Forschung), dann Stahlwerke Bochum AG (Arbeitsdirektor, Personalvorstand) und schließlich Westfälische Hochschule, Professor für Wirtschaftswissenschaft und Arbeitsökonomie.

Praxis – Wissenschaft – Praxis – Wissenschaft

Mehr alternierendes Berufsleben zwischen Wissenschaft und Praxis geht nicht.

Ich war deshalb auch nie der Professor im Elfenbeinturm.

Die Praxis und der Praxisbezug waren mir in Lehre und Forschung immer wichtig.

Als Professor, abgeleitet von profitēri, „öffentlich bekennen, vortragen“, war ich immer ein „Bekennender“.

Und als Wissenschaftler suche ich in einem kausalen und dialektischen Verständnis nach der Wahrheit.

Aber: „Die zur Wahrheit wandern, wandern nicht selten allein“, sagt aphoristisch der Dichter und Schriftsteller Christian Morgenstern.

Die Wahrheit wird heute in der Öffentlichkeit aber leider zu oft mit Füßen getreten. Nicht nur im Internet.

Es ist ärgerlich, was die privaten Medien aber auch die öffentlichen uns an unterirdischem geistigem Niveau zumuten.

Fritz J. Raddatz, verstobener ehemaliger Stellvertretender Leiter des Rowohlt-Verlages, Literatur-Professor und Feuilleton-Chef der Wochenzeitung „Die Zeit“, stellt in diesem Kontext fest.

„Wir sind heute mit all diesen Medien dümmer, als wir ohne sie waren. Wir leben in einer Zeit des pseudo-informierten Analphabetismus. Was ich in den Medien lese, oder höre, ist fast nur noch Schrott.“

„Eine Nachricht, ein Bericht, auch eine Reportage,“ sagt zu Recht der Journalist Stephan Hebel von der Frankfurter Rundschau, „sie alle haben objektiv zu sein, neutral und nichts als wahrhaftig.“

Das ist ein hoher, wenn gleich aber auch berechtigter Anspruch.

Wir wissen jedoch, dass er realiter nicht eingelöst wird.

Zeitungen machen Meinungen. Damit wirbt eine Zeitung sogar explizit. Ich bin dem Ökonomen Philipp Wolter sehr dankbar. Er hat in einer bewundernswerten empirischen Fleißarbeit die Wirtschaftsteile der führenden deutschen Zeitungen seit 1982, vor dem Hintergrund des neoliberalen „Lambsdorff -Papiers“, in seiner 2016 veröffentlichten Dissertation „Neoliberale Denkfiguren in der Presse“ ausgewertet. Seitdem ist wissenschaftlich hinlänglich bekannt, wie der einseitige Neoliberalismus als Wirtschaftskonzept die Meinungsfreiheit längst erobert hat.

 

Und Menschen glauben.

Der soll ja manchmal sogar „Berge“ versetzen.

Ich habe meinen Studierenden aber immer gesagt, wenn sie Glauben, dann müssen sie in eine Kirche oder Moschee gehen. In meinem Hörsaal wird nicht geglaubt, hier geht es um Wissenschaft – und Wissenschaft und Glauben schließen sich aus.

Wir müssen aufpassen. Auch mit den schleichenden Interventionen von einseitigen Kapitalinteressen in die Hochschulen. Schauen sie sich hier den rasanten Ausbau bei privaten Schulen und Hochschulen an.

Man kauft sich ein und nimmt Einfluss, auch über Stiftungsprofessuren. Mittlerweile dürfte es in Deutschland rund 1.000 solcher Professor*innen-Stellen geben.

So bezahlt alleine der Multi-Millionär Dieter Schwarz (u.a. Kaufland, Lidl) 20 Professor*innen im Bereich der Wirtschaftswissenschaften an der TU München über mehrere Jahre.

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Professor*innen auch nur ein kritisches Wort in ihren Hörsälen gegen die Ausbeutungsmacht von Handelsgiganten vortragen oder diesbezüglich der Öffentlichkeit Forschungsergebnisse präsentieren.

Auch Forschungsdrittmittel haben immer eine Ambivalenz. Sie können Wissenschaftler*innen verführen.

Wie kann es heute bereits sein, dass an vielen öffentlichen Hochschulen Hörsäle nach ihren Geldgebern aus der Wirtschaft benannt sind und deren Logos tragen?

Davon ist meine Hochschule, dem Präsidium sei Dank, das ich herzlich unter uns begrüße, bis heute verschont geblieben. Und ich hoffe, es bleibt auch so.

Die im Grundgesetz verbriefte Freiheit von Forschung und Lehre ist ein zu wichtiges gesellschaftliches Gut. Es darf nicht durch private Kapitalinteressen unterminiert werden.

Hochschulen und Professoren*innen müssen unabhängig sein. Sie sind der ganzen Gesellschaft verpflichtet, was denknotwendig bedeutet, sie dürfen auch nur mit Steuergeldern finanziert werden.

Dies ist aber, wie wir wissen, bei weitem nicht der Fall. Hier muss die Politik dringend umdenken.

Liebe Studentinnen, liebe Studenten, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Freundinnen, liebe Freunde.

Nach diesem kurzen Prolog soll es im Folgenden in meiner offiziellen Abschiedsvorlesung um den arbeitenden Menschen in einer einzel- und gesamtwirtschaftlichen Betrachtung gehen.

Auch in meiner Antrittsvorlesung vor fast 25 Jahren, habe ich über den Menschen im Unternehmen referiert.

In politischen Sonntagsreden rückt man ihn immer in den Mittelpunkt. Er ist in einer marktwirtschaftlich-kapitalistischen Ordnung aber nicht Mittelpunkt. Er ist nur Mittel, er ist nur Instrument.

Dies gilt es zu verändern.

Denn: „Die Wirtschaft ist für den Menschen da, nicht umgekehrt.“

Dichotomie und Antagonismus

Dies sagt sich aber leicht, wie soll das jedoch gehen in einer dichotomen und antagonistischen kapitalistischen Welt?

Dichotomie

Zur Dichotomie gehören hier, ein demokratisch verfasster Staat als gesellschaftlicher Überbau und eine Wirtschaft im Unterbau, die autokratisch, paternalistisch und manchmal sogar feudalistisch aufgestellt ist.

Antagonismus

Und die Wirtschaft selbst (inhärent) basiert auf einem tiefen Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit.

Zur Dichotomie stellt der unter uns weilende bekannte Ökonom und mein hochgeschätzter Lehrer und Freund, Prof. Dr. Rudolf Hickel, wegweisend fest:

Die Demokratisierung der Wirtschaft ist „die wichtigste gesellschaftspolitische Aufgabe der Gegenwart, aber vor allem auch der Zukunft. Denn erst mit der Demokratisierung der Wirtschaft werden die gesellschaftsstrukturierenden Machtzentren zurückgedrängt und einer direkten Planung und Kontrolle unterzogen. Gleichzeitig wird damit auch eine für die herrschende Staatsauffassung typische Dichotomie überwunden. Während das System der parlamentarischen Demokratie von der Idee lebt, es reiche aus, die politischen Strukturen eines Landes zu demokratisieren, fordert eine radikale – d.h. eine an den gesellschaftlichen Wurzeln ansetzende – Demokratisierung auch und eben die Einbeziehung der Wirtschaft.“

Und ich will an dieser Stelle auch den 1972 verstorbenen 1. Vorsitzenden der IG Metall, Otto Brenner, länger zitieren und würdigen, wobei ich mich sehr freue, den ehemaligen 1. Vorsitzenden der IG Metall, Jürgen Peters, heute unter uns in meinem Hörsaal zu wissen. Lieber Jürgen, ich weiß, dass Otto Brenner ein großes Vorbild für dich war.

Brenner schrieb 1961:

„Der Gedanke der Mitbestimmung bedeutet im Grunde nichts anderes als eine Ausprägung der gewerkschaftlichen Idee der Freiheit. Freiheit ist für uns nicht nur ein politischer Begriff, sondern vor allem auch eine soziale Kategorie. Wir wissen, dass die Freiheit des Menschen außerhalb seines Arbeitslebens nicht vollständig und gesichert ist, solange der Mensch in seinem Arbeitsleben der Herrschaft anderer unterworfen bleibt. Die Demokratisierung des öffentlichen Lebens, das freie Wahl-, Versammlungs- Rede- und Presserecht bedarf der Ergänzung durch die Demokratisierung der Wirtschaft, durch Mitbestimmung der arbeitenden Menschen über die Verwendung ihrer Arbeitskraft und der von ihnen geschaffenen Werte. Die Forderung nach Mitbestimmung der arbeitenden Menschen ist historisch entstanden in einer Wirtschaftsordnung, die auf dem privaten Besitz an Produktionsmitteln beruht, auf der Trennung des Arbeiters von den Produktionsmitteln und vom Produkt seiner Arbeit und auf der damit gegebenen Bevorzugung der Produktionsmittelbesitzer. Mit anderen Worten: Wir haben es mit einer Wirtschaftsordnung zu tun, in der es keine Freiheit im sozialen Bereich und keine Demokratie im Wirtschaftsleben gibt. Der Gedanke der Mitbestimmung bedeutet nichts anderes als einen Versuch, Freiheit und Demokratie auch im Bereich der Wirtschaft, auch für die Arbeitnehmer zu verwirklichen.“

Ich hätte es nicht besser sagen können.

Produktionsfunktion und Arbeit

Betrachten wir im Duktus von Mitbestimmung und Wirtschaftsdemokratie die allgemeingültige Produktionsfunktion. Sie gilt überall auf der Welt!

Hier hängt der Bruttoproduktionswert (BPW) in einer Volkwirtschaft von menschlicher (lebendiger) Arbeit, Umweltgebrauch und Kapitaleinsatz ab.

BPW = f (A, U, K)

Der nominale BPW lag 2018 in Deutschland übrigens bei 3.055,3 Mrd. Euro und das nominale Bruttoinlandsprodukt bei 3.388,2 Mrd. Euro. Dazwischen liegen bekanntlich Gütersteuern und -subventionen.

Menschliche Arbeit (A) und Umwelt (U) sind dabei originäre Faktoren. Das Kapital (K) ist nur derivativ. (Tafel-Bild 3)

Nehmen wir Arbeit aus der Funktion heraus, wie ist dann der Bruttoproduktionswert (BPW)? Er ist null.

BPW = f ([0], U, K) = null

Setzen wir aber nur Arbeit und Umwelt ein, dann ist der Bruttoproduktionswert (BPW) auch gleich null.

BPW = f (A, U, [0]) = null

Es gibt also einen wissenschaftlich sauberen Befund.

Die drei Produktionsfaktoren sind ökonomisch interdependent.

Warum ist es dann aber rechtlich so, dass nur das Kapital in den Unternehmen das Sagen hat?

Das Kapital verfügt in der Wirtschaft über das entscheidende „Investitionsmonopol“ (Erich Preiser).

Wann, wie und wo wird investiert?

Es gibt aber für das „Investitionsmonopol“ keinen objektiven ökonomischen Grund.

Die Gründe liegen ausschließlich im vom Staat, von der herrschenden Politik, ideologisch und normativ gesetztem Recht.

Hier müssen wir uns die Verfassung anschauen, das Grundgesetz.

Art. 14 (Eigentum) und 12 GG (Berufs- und unternehmerische Freiheit)

Befund: das Grundgesetz ist einseitig kapitalzentriert und verstößt gegen wirtschaftswissenschaftliche Objektivität!

Auch Art. 14 (3) GG (Enteignung) und Art. 15 GG (Sozialisierung) bieten hier gegen die einseitige Kapitalmacht keine wirkliche rechtliche Hilfe.

Außerdem werden Entschädigungen durch ein Entschädigungsgesetz fällig.

Und auch die soziale Marktwirtschaft wird im herrschenden (verfassungsrechtlichen) Diskurs bei den Juristen, aber auch bei den neoliberalen Mainstream-Ökonomen, als eine kapitalistische Konkurrenzordnung interpretiert und verstanden. Dies gilt ebenso für eine große Mehrheit in den politischen Parteien.

Kapitalistisch: weil nicht die Befriedigung von Bedürfnissen der Nachfrager (Konsumenten) mit Gütern und Diensten das Ziel der Ordnung ist, sondern die Verwertung von vorgeschossenem Geld (G) und die Vermehrung durch eine Mehrwertproduktion sowie schließlich deren Realisation am Markt durch mehr Geld (G‘).

Die Folge ist eine ständig erweiterte Kapitalakkumulation.

G – BPW – G‘  à G < G‘

Konkurrenz: Konkurrenz soll hier in der Wirtschaft, wir erinnern uns an die Dichotomie, das Surrogat für eine Demokratie im staatlichen Überbau sein.

„In Analogie zum politischen System der Demokratie spricht man von ‚Demokratie des Marktes‘, in welcher der Konsument mit seiner Kaufentscheidung, als ‚Stimmzettel‘ quasi, zur Steuerung der Produktion berufen ist. Das Postulat der Konsumentensouveränität resultiert denknotwendig aus einem Wirtschaftssystem, in dem der Konsum alleiniger Zweck und die Wirtschaft bloß das Mittel ist.“

Betrachten wir dazu die Marktgegenseite: Konsumentensouveränität ist hier realiter eine Mär. Versuchen sie einmal ihre sogenannte Konsumentensouveränität gegen die Deutsche Telekom durchzusetzen. Ich wünsche ihnen viel Kraft dabei.

Und genauso ist die Marktversorgung als Ziel eine Mär – nichts ist schlimmer als wenn ein Unternehmer feststellen muss, der Markt ist versorgt, ich kann nicht mehr verkaufen, ich kann keine Geschäfte mehr machen.

Und zur Marktgegenseite ist zu konstatieren: Der Konkurrenzmechanismus sei hier das „genialste Entmachtungsinstrument“, so der ordoliberale Ökonom Franz Böhm. Auch dies ist eine Mär – die entscheidenden Märkte sind alle hoch konzentriert, monopolisiert oder zumindest oligopolisiert. Wir müssen heute realiter vielmehr von einer „Diktatur der Konzerne“ (Thilo Bode) reden, die innerhalb der Wirtschaft größten Schaden anrichtet, aber auch den Primat der Politik unterminiert hat. Konzerne sind mächtiger als Staaten geworden.

Vor diesem Hintergrund wird dann auch das unglaubliche Postulat von Angela Merkel als Bundeskanzlerin verständlich, wenn sie davon spricht unsere „Demokratie marktkonform gestalten zu wollen“.

Und das Bundeskartellamt? Ist ein „zahnloser Tiger“. Und die herrschende Politik: Sie schaut wissentlich zu.

Dafür haben wir Ökonomen eine Theorie: Die des staats-monopolistischen Kapitalismus!

Arbeit und Mitbestimmung

Kommen wir noch einmal zurück zum Widerspruch:

Trotz Interdependenz der Produktionsfaktoren in der Produktionsfunktion herrschen in den Unternehmen nur die Kapitaleigentümer!

Sprechen in einfacher Gesetzgebung die bestehenden Mitbestimmungsgesetze dagegen?

Wir kennen hier drei unternehmensbezogene Mitbestimmungsgesetze (Montan-Mitbestimmung, 76‘-Mitbestimmung, Drittelparität) sowie zwei betriebliche Mitbestimmungsgesetze (Betriebsverfassungsgesetz und Sprecherausschussgesetz für Leitende Angestellte gemäß § 5 (3) BetrVG.

Befund: Nur das Montan-Mitbestimmungsgesetz bietet hier eine wirkliche (paritätische) Mitbestimmung in den Unternehmen durch die abhängig Beschäftigten.

Als ehemaliger Arbeitsdirektor habe ich das persönlich von 1990 bis 1995 in der Praxis erlebt. Ich weiß wie das geht. Der damals bei der Stahlwerke Bochum AG im Aufsichtsrat amtierende „Neutrale Mann“, Hans Wertz (u.a. Finanzminister in NRW und Präsident der Landeszentralbank, Düsseldorf) sagte bei seiner Antrittsrede im Aufsichtsrat an Kapital und Arbeit gerichtet:

„Verständigen sie sich bitte im Kompromiss und lassen sie mich die Entscheidung nicht für sie treffen. Sie wissen nicht, für welche Seite ich mich am Ende entscheiden werde.“

Hans Wertz musste nicht einmal entscheiden! Selbst in der schweren Stahlkrise von 1991 bis 1993 nicht.

Das Montan-Mitbestimmungsgesetz disziplinierte Kapital und Arbeit. Das Gesetz kam aber nur unter besonderen historischen Bedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg zustande.

Zum ausführlichen Studium empfehle ich hier das Buch von Gloria Müller: Strukturwandel und Arbeitnehmerrechte. Die wirtschaftliche Mitbestimmung in der Eisen- und Stahlindustrie 1945 -1975, Essen 1991

Die Montan-Mitbestimmung blieb eine Ausnahme und gilt heute für nur noch ca. 100.000 von 40,6 Millionen abhängig Beschäftigten in Deutschland. Sie ist also zu einer Marginalie im Mitbestimmungsgefüge geworden.

Alle anderen „Mitbestimmungsgesetze“ bieten den abhängig Beschäftigten bis heute keine echte Mitbestimmung. Das verfassungsrechtlich garantierte „Investitionsmonopol“ des Kapitals lässt grundsätzlich keine paritätische Mitbestimmung für die gesamte Wirtschaft zu.

Rechts-liberale Verfassungsrechtler, wie der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, argumentieren hier mit einer Verletzung des Eigentums und der unternehmerischen Freiheit. Das Kapital müsse in den Unternehmen das letzte Wort haben.

Links-liberale Verfassungsjuristen, wie Wolfgang Abendroth oder Andreas Fisahn, argumentieren dagegen mit dem das Eigentum restringierenden Sozial- und Rechtsstaat und einer Demokratiegefährdung, wenn neben der politisch, staatlichen Demokratie nicht auch in der Wirtschaft eine Demokratisierung durch eine gleichberechtigte Teilnahme an Entscheidungen durch die dort millionenfach abhängig Beschäftigten umgesetzt würde.

Arbeit und Eigentum

Fassen wir die Begründung für Mitbestimmung zusammen:

Interdependenz in der Produktionsfunktion

Trennung der Arbeitskraft von den Produktionsmitteln und infolge Aufteilung der Wertschöpfung in Lohn und Mehrwert

Zu Punkt 1 ist alles gesagt. Deshalb gehe ich jetzt ausführlich auf Punkt 2 ein:

Ich will mit einem Zitat des großen deutschen Soziologen und Ökonomen Max Weber anfangen:

„Es sind im Kapitalismus Personen vorhanden, die nicht nur rechtlich in der Lage, sondern auch wirtschaftlich genötigt sind, ihre Arbeitskraft frei auf dem Markt zu verkaufen. Im Widerspruch zum Wesen des Kapitalismus steht es, und seine Entfaltung ist unmöglich, wenn eine solche besitzlose und daher zum Verkauf ihrer Arbeitsleistung genötigte Schicht fehlt.“

Der ebenfalls große schottische Moralphilosoph und Nationalökonom, Adam Smith, wusste dabei schon 1776, was unter kapitalistischen Verhältnissen auf Basis einer Trennung von Arbeitskraft und Produktionsmitteln auf die abhängig Beschäftigten zukommt, wenn er schreibt:

„Der bedauernswerte Arbeiter, der gewissermaßen das ganze Gebäude der menschlichen Gesellschaft auf seinen Schultern trägt, steht in der untersten Schicht dieser Gesellschaft. Er wird von ihrer ganzen Last erdrückt und versinkt gleichsam in den Boden, so dass man ihn auf der Oberfläche gar nicht wahrnimmt.“

Die Französische Revolution von 1789 hat das Eigentumsrecht und damit in logischer Ableitung die kapitalistische Trennung von Arbeitskraft und Produktionsmittel als ein „Naturrecht“ eingestuft.

„Das Eigentum ist das Recht jedes Bürgers, den Teil der Güter zu besitzen und darüber zu verfügen, der ihm vom Gesetz garantiert ist“, so der Rechtsanwalt Maximilien de Robespierre in seiner berühmten Rede über eine neue „Erklärung der Rechte“ vom 24. April 1793 in Paris.

Hier hatte er aber bereits bitter erkannt, dass die Revolution den Bürger*innen, „deren einziges Eigentum aus ihrer Arbeitskraft besteht“, wie es später eben auch von Max Weber und noch viel mehr von Karl Marx herausgearbeitet wurde, bisher „fast nichts gebracht habe“.

Die neu entstandene Klasse der Bourgeoisie hatte schon mit dem Dekret vom 14. Juni 1791 alle Vereinigungen von Arbeitern, heute würde man sagen Gewerkschaften, als „Attentat auf die Freiheit und die Erklärung der Menschenrechte“ und des Eigentums verboten.

Als dann auch noch am 8. November 1793 per Gesetz jegliche politische Vereinigung von Frauen verboten wurde, und damit schließlich innerhalb von nur einem Jahr die Jakobiner ihre Unterstützung der Volksmassen verloren, konnte Robespierre und seine Anhänger 1794 von den kompromisslosen Vertretern der Bourgeoisie, ohne größeren Widerstand abgesetzt, und hingerichtet werden.

Die Revolution hatte ihre Kinder gefressen!

Ich habe hier leider nicht die Zeit, auf die Eigentumsentstehung einzugehen.

Ich empfehle dazu aber allen, sich mit dem 24. Kapitel, „Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation“, im Ersten Band des „Kapitals“, von Karl Marx auseinander zusetzen , und ebenso mit dem 2014 erschienenen Werk des französischen Kollegen Thomas Piketty, „Das Kapital im 21. Jahrhundert“, dass für viel Furore gesorgt hat; selbst Papst Franziskus hat das Buch gelesen, der übrigens den Kapitalismus für ein System hält, „das tötet“.

Dennoch komme ich hier nicht umhin zu sagen, dass nur 8 Menschen auf der Erde so viel Vermögen (Kapital) haben, wie die ärmere Hälfte der Menschheit zusammen, also etwa 3,8 Milliarden Menschen.

Ich habe diesen 8 Multi-Milliardären einen Brief geschrieben. Er wurde in der Zeitschrift Ossietzky, Heft 3/2016 unter dem Titel: „Ihr unverschämt Reichen in der Welt“ veröffentlicht.

Diese Woche hat die internationale Entwicklungsorganisation Oxfam erneut eine weltweite Reichtums- und Armutsanaylse vorgelegt. Demnach wurden auch in 2018 die Reichen reicher und Armen ärmer.

Im internationalen Vergleich der Industrienationen ist hier Deutschland das Land mit der größten Vermögensungleichheit.

Da verbietet es sich natürlich, in Deutschland eine Vermögensteuer und hohe Erbschaftsteuersätze zu erheben.

Hoch interessant ist dabei auch der empirische Befund, dass die weltweite Politik bei der Vermögensakkumulation den Reichen durch drastische Steuersenkungen geholfen hat. In den reichen Industrieländern sind die Spitzensteuersätze auf Einkommen zwischen 1970 und 2013 von im Schnitt 62 auf 38 Prozent gefallen. Und trotzdem hören Unternehmer und ihre Verbände nicht auf, noch weitere Steuersenkungen einzufordern.

Dabei hatte der englische Philosoph, John Locke, einer der Väter des politischen Liberalismus, schon 1689 zum Eigentumserwerb folgendes ausgeführt:

„So viel Land ein Mensch bepflügt, bepflanzt, kultiviert und so viel er verwerten kann durch die Nutzung des Ertrages seiner Arbeit, so viel ist sein eigen.“

Da fragt man sich dann, wie das geht, dass Menschen heute nur durch ihre Arbeitskraft trotzdem Multi-Milliardäre sind?

Nun, das geht natürlich nicht. Aber wir kennen die Ursachen: Sie haben ihren Reichtum geerbt und/oder sie lassen andere Menschen für sich arbeiten.

Erben heißt, sie haben für ihren Reichtum selbst nichts geleistet. Und dies vor dem Hintergrund, das im Leben die Geburt ein reiner Zufall ist. Die biologische und auch die sozio-ökonomische „Grundausstattung“ sind hier immer ungerecht verteilt und der einzelne Mensch kann für seine Geburt nichts. Wir werden nicht einmal gefragt, ob wir überhaupt auf die Welt kommen wollen.

Der Zufall der Geburt entscheidet aber weitgehend darüber, wer in unserer arbeitsteiligen Volkswirtschaft welche Arbeit verrichten muss oder darf! Arbeit ist nicht homogen. Hier gibt es eben einfache, repetitive Tätigkeiten, die auch noch schlecht bezahlt werden, und kreative, schöpferische (innovative) Arbeit, die zumeist wesentlich besser vergütet wird. Diejenigen, die letztere intrinsisch motivierte Arbeit verrichten dürfen, haben ein hohes gesellschaftliches Privileg. Viele sind sich dessen aber nicht auch nur im Geringsten bewusst.

Wenn Kinder, aus einem Hartz-IV-Haushalt, danach gefragt werden, was sie einmal werden wollen, und sie antworten „Hartz-IV“, dann ist das schockierend, zeigt aber auch realiter die ökonomischen Verhältnisse und die „Gnade der Geburt“ brutal auf. Die Zahl der armutsgefährdeten Kinder ist übrigens in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren von 1,79 auf 1,85 Mio. in 2017 gestiegen. 2005 waren es noch 1,51 Mio. Und arme Kinder haben immer arme Eltern, die ihr Erwerbsleben mit lebendiger Arbeit bis zur Rente verbringen müssen.

Der ehemalige Staatsanwalt und heutige Journalist bei der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, sagt:

„Das Leben wird weiterhin ungerecht beginnen und es wird weiterhin ungerecht enden. Dafür, dass es dazwischen einigermaßen gerecht zugeht – dafür stritten Leute wie August Bebel; und dafür streiten Leute wie Oskar Negt.“

Und bei aller Bescheidenheit und Demut, dafür streite auch ich!

Aber nicht nur der Zufall der Geburt ist ungerecht und verschafft den Menschen völlig ungleiche Start- und Erbchancen, sondern der hochkonzentrierte Reichtum der Wenigen rührt auch wesentlich daher, dass Menschen andere Menschen für sich arbeiten lassen.

Arbeit und Mehrwertproduktion

Dies ist für die kapitalistische Ordnung immanent und entscheidend: Menschen mit Kapitaleigentum können andere Menschen ohne Kapital für sich arbeiten lassen und einen Mehrwert realisieren.

Dies lässt sich einzelwirtschaftlich leicht zeigen:

Ausgehend von den Umsatzerlösen (U) plus/minus Bestandsveränderungen und aktivierte Eigenleistungen sowie sonstige betriebliche Erträge erhält man den Bruttoproduktionswert. Zieht man alle Vorleistungen (V) ab, ergibt sich die Wertschöpfung (W).

U +/- BV – saE + sbE = BPW – V = W

Die Wertschöpfung (W) unterteilt sich dann in Lohn, Zins, Miete/Pacht (Grundrente) und Gewinn oder auch in einen Verlust. (Tafel-Bild 8)

Lohn, Zins, Miete/Pacht haben einen Doppelcharakter und sind kontraktbestimmt.

(Tafel-Bild 9)

Und für alle Mehrwertarten gilt: Die Empfänger dieser Arbeitserträge lassen andere Menschen für sich arbeiten.

Sie können von der sich dahinter verbergenden lebendigen Arbeit anderer Menschen leben und dem lieben Gott den Tag stehlen, wo immer auch auf der Welt.

Dies geht bei der vierten Wertschöpfungsart, dem Lohn, nicht. Hier muss der Empfänger für sein Einkommen selber ran, er muss selbst arbeiten und schwitzen, sonst erhält er kein Arbeitsentgelt.

An dieser Stelle sei mir, vor diesem arbeitsdeterminierten Hintergrund, auf eine völlig skurrile Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen verwiesen, das mittlerweile von vielen aus Politik, Wirtschaft und selbst aus der Wissenschaft eingefordert wird. Hier wollen die Protagonisten offensichtlich auch, dass Menschen andere für sich arbeiten lassen!

Ich habe dazu einen Aufsatz verfasst: „Das bedingungslose Grundeinkommen – eine ökonomisch skurrile Forderung“, in: Christoph Butterwegge/ Kuno Rinke (Hg.), Grundeinkommen kontrovers. Plädoyers für und gegen ein neues Sozialmodell, Weinheim/Basel 2018.

Den Aufsatz bitte ich zu lesen. Er könnte klausurrelevant werden.

Arbeit und produktivitätsorientierte Lohnpolitik

Was folgt daraus, wenn Menschen andere Menschen für sich arbeiten lassen?

Hier sind bezogen auf kapitalistische Unternehmen drei Prämissen bei der Nachfrage nach Arbeitskräften zu erfüllen:

Ein Unternehmer fragt nur dann am Arbeitsmarkt abhängig Beschäftigte nach, wenn er Arbeit für sie hat und müssen sie ihm einen Mehrwert erbringen.

Dieser Mehrwert hängt natürlich neben seiner Produktion, auch von seiner Realisation am Markt ab.

Dies macht den Arbeitsmarkt zu einem derivativen Markt. Er ist abhängig von den Güter-, Dienstleistungs- und heute auch (wesentlich) von den Finanzmärkten.

Arbeitslosigkeit entsteht deshalb gesamtwirtschaftlich nicht, wie die Neoklassik behauptet, durch das Setzen zu hoher Löhne am Arbeitsmarkt, also immanent, sondern vielmehr durch zu niedrige Löhne, die unterhalb des verteilungsneutralen Spielraums liegen. Löhne sind nicht nur Kosten, sondern die entscheidende Kaufkraft auf den Güter-, und Dienstleistungsmärkten.

Damit rückt die Verteilung der Wertschöpfung in den Fokus. In der primären Marktverteilung als auch in der sekundären Verteilung durch den Staat mit Steuern und Abgaben.

Die Bruttolohnquote lag hier 2018 bei 69 Prozent und damit die Mehrwertquote bei 31 Prozent.

Entscheidend bei der Verteilung der Wertschöpfung auf Lohn und Mehrwert ist die Verteilung der Produktivitäts- und Preissteigerungen.

Liegt die Steigerung der Nominallöhne unterhalb der Steigerung von Produktivität und Preisen, dann steigt die Mehrwertquote zu Lasten der Lohnquote, et vice versa.

wln < wProd + wp  à  qM   à  qL

Damit ist die Verteilungsneutralität beim Einkommen definiert.

wln = wProd + wp

Von 1991 bis 2018 (auf Basis der Lohnquote 1993 (72,4 Prozent)) haben die abhängig Beschäftigten fast 1,8 Billionen Euro an Einkommen eingebüßt.

Und die realen Nettolöhne und -gehälter je abhängig Beschäftigten sind von 1991 bis 2018 jahresdurchschnittlich nur um 0,3 Prozent gestiegen. Also so gut wie gar nicht!

 

 

Arbeit und Kreislaufzusammenhang

1960 gibt Oswald von Nell-Breuning, Jesuitenpater, Wirtschaftsprofessor, CDU-Mitglied und Berater von Konrad Adenauer vor dem Hintergrund bzw. der Prämisse einer Verteilungsneutralität beim Einkommen, einer produktivitätsorientierten Reallohnpolitik, ein Buch unter dem Titel „Kapitalismus und gerechter Lohn“ heraus.

Das Werk muss man gelesen haben, auch wenn es aus Sicht der abhängig Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften zu einem frustrierenden Befund führt.

Jedenfalls schreibt hier von Nell-Breuning auf Basis einer gesamtwirtschaftlich-kreislauftheoretischen Betrachtung folgendes:

„In unserer Wirtschaft werden sowohl Konsumgüter als auch Kapital- oder Investitionsgüter produziert; die ersteren gehen, wie ihr Name besagt, in den Verbrauch, die letzteren dienen langfristiger Nutzung, für Wohnhäuser und dergleichen, oder dienen selbst wieder der Produktion, für Fabriken, Maschinen usw. An der Erzeugung beider Arten von Gütern wirken die Arbeitnehmer mit; für die Arbeitsleistung in diesen beiden Zweigen der Produktion zahlen die Unternehmer ihnen einen Arbeitslohn; dieser Arbeitslohn erscheint in der Erfolgsrechnung der Unternehmer als Kosten. Verwenden die Arbeitnehmer nun den ganzen Arbeitslohn zum Kauf der geschaffenen Verbrauchsgüter, so heißt das: die Unternehmer erhalten die ganze von ihnen als Kosten aufgewendete Lohnsumme zurück und geben dafür nur die produzierten Konsumgüter ab; die neugeschaffenen Kapital- oder Investitionsgüter verbleiben ihnen sozusagen gratis und franko. Man könnte das auch so ausdrücken: die Arbeitnehmer schenken den Unternehmern die Kapital- oder Investitionsgüter und sind zufrieden, als Entgelt für ihre Leistung im Produktionsprozess denjenigen Teil der produzierten Güter zu erhalten, der in Konsumgütern besteht. Auf diese Weise werden die Unternehmer reicher und reicher, die Arbeitnehmer bleiben Habenichtse.“

In dieser Veranschaulichung drückt sich extrem wichtig und wesentlich zweierlei aus:

Erstens, die Beschäftigten müssen in den Mehrwert eindringen. Der Lohn reicht nicht. Ohne eine Gewinn- und Kapitalpartizipation werden die Lohnabhängigen in der Tat „Habenichtse“ bleiben.

An dieser Stelle verweise ich auf das Buch: Bontrup, H.-J., Springob, K., Gewinn- und Kapitalbeteiligung. Eine mikro- und makroökonomische Analyse, Wiesbaden 2002

Bei 1.948 Euro monatlichem durchschnittlichem Nettoarbeitsentgelt in 2018 aller 40,6 Millionen abhängig Beschäftigten in Deutschland, in Summe einem der reichsten Länder der Erde, ist dies evident.

Und zweitens kommt etwas Entscheidendes hinzu: Die Höhe der Realisierung der gesamtwirtschaftlichen Mehrwertsumme hängt letztlich nur von der Konsumtion und der Investition der Kapitaleigentümer selbst ab. Dieser Befund erstaunt immer wieder die ökonomische Laienschar.

Vor Oswald von Nell-Breuning hat das schon der Brite, John Maynard Keynes, der wohl größte Ökonom des 20. Jahrhunderts, in seinem Theorem vom „Krug der Witwe“ wie folgt zusammengefast:

„Welchen Teil ihrer Gewinne die Unternehmer auch für den Konsum verwenden, der Vermögenszuwachs zugunsten der Unternehmer bleibt der gleiche wie zuvor. Somit sind die Gewinne, als eine Quelle der Kapitalakkumulation bei den Unternehmern, unerschöpflich wie der Krug der Witwe, wie viel davon auch immer einer ausschweifenden Lebensführung dient.“

Das ist aber auch gleichzeitig das Problem. Schränken nämlich die Unternehmer aus welchem Grund auch immer die entscheidenden Investitionen ein, so ist der Kreislauf unterbrochen und es kommt zur Krise.

Keynes erkannte hier den inhärent im kapitalistischen System angelegten „Webfehler“ einer „kapitalistischen Rationalitätsfalle“, die das Auseinanderfallen von einzel- und gesamtwirtschaftlicher Logik beschreibt.

„Wenn ich meine Ausgaben individuell reduziere, um meine laufenden Ausgaben an die Einnahmen anzupassen, kann ich davon ausgehen, dass mir das gelingt, weil meine Sparentscheidung keinen Einfluss auf meine Einnahmen hat. Wenn aber alle Wirtschaftssubjekte ihre Ausgaben reduzieren, vermindert das auch ihre Einnahmen.“

Was also auf einzelwirtschaftlicher Ebene, ob beim privaten Haushalt oder beim Unternehmen, durchaus rational sein mag, schlägt in Summe gesamtwirtschaftlich negativ auf das ganze System zurück.

Erstens resultiert aus der Absenkung der Arbeitskosten kein intendierter Wettbewerbsvorteil mehr. Es ist ein Nullsummenspiel auf abgesenktem Niveau. Was die Einen vermeintlich gewinnen, müssen die Anderen verlieren.

Da die Kosten (Ausgaben) des Einen in einer geschlossenen Volkswirtschaft die Einnahmen des Anderen sind, gehen zweitens insgesamt für alle Unternehmen die Umsätze zurück.

Als „Ausweg“ bleiben dann nur noch Exportüberschüsse, um damit die binnenwirtschaftlich ausfallenden Umsätze zu kompensieren. Diese Politik verfolgt Deutschland als „Exportweltmeister“ massiv. Im Ergebnis geht dies aber nur zu Lasten der Importüberschussländer, sie müssen sich dann verschulden.

Der empirische Befund ist hier für Deutschland eindeutig: die Summe der gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse (S), völlig ungleich sektoral und personell verteilt, ist weit größer als die Summe der Nettoinvestitionen (In) (Bruttoinvestitionen minus Abschreibungen). Von 1991, seit der Wiedervereinigung, bis heute, wurden im Inland über 2.200 Milliarden Euro weniger investiert als gespart.

S > In = 2.200 Mrd. Euro (Überersparnis)

Diese Überersparnis floss ins Ausland bzw. das Ausland verschuldete sich in dieser Höhe in Deutschland. So wird durch einen Exportüberschuss (positive Leistungsbilanz) ein Teil des inländischen Sparens für die Güterversorgung des Auslands verwendet. Umgekehrt beteiligt sich bei einem Importüberschuss das Ausland an der inländischen Finanzierung der Nettoinvestitionen. Letztes war in Deutschland von 1991 bis 2001 auf Grund der Wiedervereinigung der Fall. Die Importe waren hier größer als die deutschen Exporte. Seit 2002 ist es umgekehrt.

Jetzt finanziert Deutschland das Ausland. Es kommt zu einem Nettokapitalexport und damit zu einer Verschuldung des Auslands. Deutschland lebt damit gleichzeitig unter seinen Verhältnissen und das Ausland mit Importüberschüssen über seinen Verhältnissen. Die deutsche inländische private und staatliche Produktion ist seit 2002 größer als die heimische Nachfrage aus Konsum plus Nettoinvestition. Deshalb muss die deutsche Überproduktion im Ausland verkauft werden. Damit exportiert Deutschland gleichzeitig aber auch Arbeitslosigkeit. Diese wäre nämlich wesentlich höher, könnte die Überschussproduktion nicht im Ausland abgesetzt werden. Und trotzdem konnte das in Deutschland bestehende Produktionspotenzial und das Arbeitsangebot nicht ausgelastet werden und es lag und liegt Massenarbeitslosigkeit in Deutschland vor.

Hierzu empfehle ich ausführlich meine Veröffentlichung: Bontrup, H.-J., „Noch Chancen für Wachstum und Beschäftigung? Wachstumskritik – Arbeitszeitverkürzung fordern“, 2. Aufl., Bergkamen 2018

Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung

Halten wir also den entscheidenden Befund fest: Mit den Exportüberschüssen exportiert Deutschland Arbeitslosigkeit. Und trotzdem herrscht diese seit über 40 Jahren in Deutschland. Welch ein System- und Politikversagen.

Vertragen sich Kapitalismus und Vollbeschäftigung nicht? Die herausragenden Ökonomen, der Pole Michal Kalecki und die Britin Joan V. Robinson sagen klar nein!

Arbeitslosigkeit ist ein „Gewaltakt“ gegen jeden einzelnen Arbeitslosen, wie der von mir hochgeschätzte Soziologe und Sozialphilosoph, Oskar Negt, zu Recht feststellt und gleichzeitig impliziert Arbeitslosigkeit für die Gesellschaft als Ganzes eine enorme Verschwendung.

So hat die Arbeitslosigkeit allein von 2001 bis 2015 für jahresdurchschnittlich gut 3,7 Millionen nur registrierte Arbeitslose pro Jahr 69,0 Milliarden Euro an fiskalischen Kosten verursacht, stellt das wissenschaftliche Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit fest.

Das waren in nur 15 Jahren in Summe über eine Billion Euro.

Die viel zitierte und kritisierte Staatsverschuldung viel dabei im gleichen Zeitraum weit geringer aus.

Der amtierende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) findet „Die aktuelle Lage ist am Arbeitsmarkt hervorragend“.

Ja, seit 2006 gehen die Arbeitslosenzahlen zurück und die Beschäftigung steigt. Aber zu welchem Preis?

Von einer hervorragenden Lage auf den Arbeitsmärkten oder gar von einer fast erreichten Vollbeschäftigung zu sprechen, ist blanker Zynismus und ein rein an Kapitalinteressen orientierter Populismus übelster Machart.

Richtig ist dagegen: Nie war es nach dem Zweiten Weltkrieg so leicht, die abhängig Beschäftigten und gleichzeitig die Arbeitslosen zu disziplinieren sowie die Arbeitsentgelte der Beschäftigten zu drücken und deren Arbeitsbedingungen zu verschlechtern.

Hier verweise ich noch einmal auf die 1,7 Billionen Umverteilung von den Arbeits- zu den Mehrwerteinkünften. Und allein 2017 sind 2,1 Milliarden Überstunden geleistet und die Hälfte davon nicht einmal bezahlt worden. Dies aus reiner Angst der Beschäftigten bei Verweigerung ansonsten diszipliniert zu werden oder womöglich sogar die Arbeit zu verlieren.

Außerdem erhält jeder fünfte abhängig Beschäftigte (das waren im letzten Jahr 4,6 Millionen), der Vollzeit arbeitet, nur einen Niedriglohn, der etwa bei zwei Drittel des mittleren Nettolohns von 1.615 Euro, also bei 1.077 Euro im Monat liegt.

Besonders hoch ist dabei die Quote der Niedriglöhner in Ostdeutschland. Hier arbeitet jeder Dritte zu einem solchen geringen Arbeitsentgelt.

Und von den zurzeit gut 40 Millionen abhängig Beschäftigten in Deutschland haben nur gut 23 Millionen eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung. 9 Millionen sind ohne Sozialversicherung nur geringfügig beschäftigt und 7,5 Millionen arbeiten Teilzeit – zumindest aber mit Sozialversicherung.

Das heißt, 16,5 Millionen abhängig Beschäftigte in Deutschland, das sind gut 42 Prozent aller Beschäftigten, müssen in atypischen und prekären Beschäftigungsverhältnissen ihr Dasein fristen (das gilt vor allen Dingen für Alleinerziehende), von deren Bezahlung man allein nicht Leben und Sterben kann und im Alter eine verhängnisvolle Altersarmut droht.

Viele Teilzeit- oder auch geringfügig Beschäftigte wollen oder können aber nicht Vollzeit arbeiten. Solange sie einen Partner haben, der die Lücke zur Voll-Erwerbszeit ausgleicht, geht das vielleicht. Aber was ist, wenn der Vollzeit arbeitende Partner abhandenkommt?

Und wenn wir über Arbeit reden, dann müssen wir auch über 2,8 Millionen Beschäftigte mit nur einem befristeten Arbeitsvertrag reden und über die Zahl der Leiharbeiter, die auf einem historischen Spitzenwert von gut einer Million angekommen ist.

Hier verleihen Menschen anderen Menschen.

Hinzu kommen bei den rund 4,3 Millionen Selbstständigen noch 2 Millionen Solo-Unternehmer, deren Lebenslage vielfach auch prekär und deren Einkommen nur minimal ist und unterhalb der durchschnittlichen Arbeitsentgelte der abhängig Beschäftigten liegen.

Den Studierenden seit hier gesagt: Vorsicht mit Start-ups!

Die neoliberale Politik setzt, neben sich Selbstständig machen, zur Lösung der Massenarbeitslosigkeit seit Langem auch auf billige und arbeitsintensive sowie personenbezogene Dienstleistungen. Pizza für 3,50 Euro ins Haus gebracht und der Paketservice, zu kleinem Preis, wächst und wächst mit beachtlichen Umweltschäden durch den Autotransport. Und hier wollen wir auch nicht die vielen Putz- und Sicherheitsdienstleistungen vergessen. Viel Arbeit, wenig Geld, lautet auch hier das Motto. Aber „Geiz ist doch geil“, oder?

Die Wertschöpfungen fallen auf Grund der niedrigen Preise in all diesen Dienstleistungsbereichen nur gering aus. Und in Folge die Arbeitsentgelte natürlich auch, schließlich wollen die Unternehmer ja auch noch verdienen.

Dazu habe ich in der Frankfurter Rundschau am 21. September 2018 eine Kolumne verfasst:

„An Geiz ist gar nichts geil.“ Es sind die Beschäftigten, die für Dumpingpreise zahlen!

Solange in Deutschland aber rund 6 Millionen Vollzeitarbeitsplätze und in der EU mindestens 35 Millionen Arbeitsplätze fehlen, um von einer wirklich vollbeschäftigten Wirtschaft mit guten Vollzeitarbeitsplätzen auf Basis tarifvertraglich und sozialversicherungspflichtig sowie unbefristeten und mitbestimmungsgeregelten Arbeitsverhältnissen reden zu können, wird es aber, so ist zu befürchten, prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu Niedrigstlöhnen geben. Und hier ist und bleibt dann auch der gesetzliche Mindestlohn nur ein Armutslohn.

Arbeit und Arbeitszeitverkürzung

Es gibt aber eine Lösung des Problems. Eine kollektive Arbeitszeitverkürzung in Richtung einer 30-Stunden-Woche. Die Vollzeit muss abgesenkt und die Teilzeit angehoben werden. Also eine „kurze Vollzeit für Alle“ (Helmut Spitzley) muss das gesellschaftliche Ziel sein. Und zwar mit vollem Lohn- und Personalausgleich!

Die Politikwissenschaftlerin Ingrid Kurz-Scherf, die sich schon lange mit Arbeitszeitverkürzung beschäftigt, sagt:

„Von Thomas Morus im 16. Jahrhundert beginnend sind die großen sozialen Utopien immer mit einer Verkürzung der Arbeitszeit verbunden gewesen. Und da war der Achtstundentag erst einmal ein pragmatisches Zugeständnis. Wenn man sich die großen Namen der im Übrigen sehr feindlichen politischen Strömungen ansieht, John Stuart Mill, Karl Marx oder Keynes, dann sieht man: Die sind sehr unterschiedlicher Meinung, aber in einem Punkt sind sie sich einig. Der Sinn der Entfaltung des technischen Fortschritts ist neben der Reichtumsmehrung für alle die Anreicherung der Zeit; die jedem zur Verfügung steht.“

Und Oskar Negt führte in einem Interview mit der Wiener Zeitung 2016 folgendes aus:

„Es gibt Alternativen. Es gibt genügend Intellektuelle, die auf scharfsinnige Weise die Verhältnisse analysieren. Und mittlerweile sind die tieferen Ursachen der Unzufriedenheit, des Unbehagens und der Wut vieler Bürgerinnen und Bürger, die sich vielfach in der Unterstützung destruktiver Rechtspopulisten ausdrückt, bekannt. Der real existierende Kapitalismus bringt ein immer größeres Heer von Überflüssigen hervor. Immer mehr Menschen werden durch eine immer rasantere Automatisierung aus dem Arbeitsprozess gedrängt.“

Und an anderer Stelle, in den Blättern für deutsche und internationale Politik, schreibt Negt:

„Es ist eben ein Skandal, (…) für Millionen von Menschen das zivilisatorische Minimum für eine menschliche Existenzweise nicht zu sichern: nämlich einen Arbeitsplatz, einen konkreten Ort, wo die Menschen ihre gesellschaftlich gebildeten Arbeitsvermögen anwenden können, um von bezahlter Leistung zu leben. (…) Wenn ich in diesem Zusammenhang von Gewalt spreche, so meine ich das buchstäblich: Arbeitslosigkeit ist ein Gewaltakt, ein Anschlag auf die körperliche und seelisch-geistige Integrität, auf die Unversehrtheit der davon betroffenen Menschen. Sie ist Raub und Enteignung der Fähigkeiten und Eigenschaften, die innerhalb der Familie, der Schule, der Lehre in der Regel in einem mühsamen und aufwendigen Bildungsprozess erworben worden sind und jetzt, von ihren gesellschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten abgeschnitten, in Gefahr sind zu verrotten und schwere Persönlichkeitsstörungen hervorzurufen.“

Es ist übrigens interessant, dass ein weiterer Protagonist einer radikalen Arbeitszeitverkürzung, der schon erwähnte Oswald von Nell-Breuning, zu Beginn der 1980er Jahre in einer Diskussion mit Oskar Negt um die 35-Stunden-Woche ihm folgendes zurief: „Junger Freund, sie kämpfen für 35 Stunden. Dabei wären zehn Stunden völlig ausreichend, wenn die Menschen vernünftig mit ihren Ressourcen umgingen.“

Und der schon erwähnte Journalist Heribert Prantl schreibt:

„Zehn Stunden wären ausreichend: das war schon die Vorstellung von August Bebel. In Bebels Utopia, geschildert in seinem berühmten Buch ‚Die Frau und der Sozialismus‘, das schon zu seinen Lebzeiten 53 Auflagen erlebte, gehen, sobald alle Kapitalisten expropriiert sind, alle Arbeitsfähigen einer Arbeit nach – einer mäßigen, täglich zwei- bis dreistündigen, abwechslungsreichen, ergiebigen Arbeit; in der übrigen Zeit geht jeder, je nach Geschmack, Studien oder Künsten nach oder pflegt geselligen Umgang.“

Dies ist die richtige gesellschaftliche Utopie. Wir können hier aber nicht mehr abwarten, bis der letzte Kapitalist expropriiert ist, und wir können auch nicht mehr warten bis die letzten gewählten Volksvertreter*innen in den Parteien und Gewerkschaftsfunktionär*innen die Ökonomie verstanden haben. Wir müssen endlich begreifen, dass die auch in Zukunft durch technischen Fortschritt erwachsenen Produktivitätssteigerungen in Arbeitszeitverkürzungen zur Verteilung gebracht werden müssen. „Das alte Produktionsproblem ist im Grunde gelöst“, schreibt Karl Georg Zinn.

„Misslungen ist bisher, den materiellen Reichtum richtig zu verteilen. Die richtige Verteilung wird nur gelingen, wenn wieder Vollbeschäftigung hergestellt wird. Denn auf absehbare Zeit leben wir noch in einer ‚Arbeitsgesellschaft‘ und dies bedeutet, dass die Mehrzahl der Menschen ihren Lebensstandard durch Erwerbsarbeit verdienen muss. Deshalb schließt die Verteilungsfrage die Verteilung der Arbeit mit ein. So gesehen ist Arbeitslosigkeit primär kein Produktionsproblem (mehr), sondern zu einem Verteilungsproblem geworden.“

Und Karl Georg Zinn konstatiert mit John Maynard Keynes im Hinblick auf Wachstum und Produktivität in einer Langfristbetrachtung:

„Ersparnisse zu absorbieren, wenn keine Nettoinvestitionen mehr vorgenommen werden, wäre zwar durch staatliche Kreditaufnahme und/oder durch einen positiven Außenbeitrag (bzw. Nettokapitalexport) möglich, aber es stellt sich die Frage, ob bei Kredittilgung die Gläubiger bereit und in der Lage sind, ihren Konsum zu steigern. Kredittransaktionen zwischen den Konsumenten erhöhen die Konsumnachfrage im Mehrjahresdurchschnitt ohnehin nicht, sondern dienen der zeitlichen Konsumverschiebung. Das (…) Nachfrageproblem, dass bei einer Nettoinvestition von Null, aber anhaltendem Produktivitätswachstum virulent wird, könnte sich letztlich als unlösbar erweisen. Keynes plädiert deshalb dafür, den Gordischen Knoten des Nachfrageproblems, wenn und wie es sich in hoch entwickelten, relativ gesättigten, wachstumsschwachen Volkswirtschaften dauerhaft einstellt, durch kürzere Arbeitszeiten zu durchschlagen. Wenn Keynes‘ Wachstumsskepsis von der historischen Entwicklung bestätigt wird, dürften sich die aktuelle Aversion gegen Arbeitszeitverkürzung und damit auch die Kritik an Keynes‘ Zukunftsvision sinkender Arbeitzeit(en) als recht kurzsichtig herausstellen.“

Deshalb: Nicht mehr, sondern weniger arbeiten muss zum Ziel ökonomischen Handelns werden. Schließlich haben wir alle nur eine sehr beschränkte Lebenszeit, auf dieser, nur einen Erde, zur Verfügung.

Wir sollten die Zeit deshalb optimieren und wir sollten die immer nur arbeitsteilig generierte Produktivität in einer Gesellschaft als einzige inflationsneutrale zusätzliche Verteilungsgröße gerecht untereinander aufteilen.

Die Frage muss hier lauten: Wem gehört die Produktivität?

Die Wissenschaft liefert die Antwort. Im Befund ist die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich immer

lohnstückkosten-, inflations- und verteilungsneutral.

Die vielzitierte internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist also in keiner Weise bedroht.

Und das Vorteilhafte aus Sicht der Unternehmer und Kapitaleigner ist außerdem noch, dass auch der Mehrwert unter den Bedingungen einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich in Höhe der Produktivitätsrate steigt.

Somit beteiligen sich die Kapitaleigner nicht einmal an der Arbeitszeitverkürzung. Diese finanzieren ausschließlich die abhängig Beschäftigten selbst.

Dies ist inakzeptabel!

Da aber aufgrund der Versäumnisse in der Vergangenheit die Arbeitszeit seit Anfang der 1990er Jahre nicht mehr adäquat zur Produktivität verkürzt wurde, wird es ohne eine Umverteilung zu Gunsten der abhängig Beschäftigten nicht mehr gehen. Das ist dann wiederum geradezu versöhnlich!

Die Mehrwertquote muss in Folge sinken, was aber realiter auch kein Problem ist, weil sie gesamtwirtschaftlich vom Niveau mit über 30 Prozent völlig überdimensioniert ist.

Die Kapitaleigner werden aber ein Absenken der Mehrwertquote nicht akzeptieren.

Es muss deshalb, um eine weitere gefährliche Spaltung in der Gesellschaft zu verhindern, die Politik intervenieren, weil die Gewerkschaften es alleine nach über 30-jähriger neoliberaler Auszerrung nicht mehr schaffen werden, diese notwendige substanzielle Umverteilung herbeizuführen. Die Mehrwertquote muss auf unter 20 Prozent abgesenkt werden. Auch im Hinblick auf die Rentenproblematik.

Diese überfällige und notwendige Politikintervention gilt für die gesamte EU. Dies zeigen nicht nur die Verhältnisse in Griechenland, Frankreich und in Großbritannien. Die EU wird, die durch Massenarbeitslosigkeit längst etablierte tiefe ökonomische Segmentierung nicht noch viel länger politisch aushalten.

Deshalb ihr Reichen hört auf damit, noch reicher werden zu wollen.

Und ihr Politiker*innen, macht endlich eine Politik für das Volk und nicht nur für eine eh schon viel zu reiche gesellschaftliche Schicht.

Den „point of no return“ sollte man erkennen, bevor es zu spät ist, sagt zu Recht der herausragende deutsche Philosoph Jürgen Habermas.

Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.

Ich bedanke mich für das Zuhören und hoffe, in meiner heutigen Vorlesung ein paar Denkanstöße gegeben zu haben.

 

Anhang:

BPW = f (A, U, K)

BPW = f (A, U, K)     à    A,U = originär;  K = derivativ

BPW = f ([0], U, K)  à Null

BPW = f (A, U, [0])  à Null

G – BPW – G‘   à  G < G‘

U +/- BV – saE + sbE = BPW – V = W

L           Z      M/P      G/ V

wln  < wProd  + wp  à qM  à  qL

wln  = wProd  + wp  à qM  à  qL

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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