22 Feb 2019

Das Menetekel der schwarzen Null

von Pan Pawlakudis

 

Welche Folgen hat die deutsche schwarze Null?

Diese simple Frage versteckt sich hinter der schwarzen Null Angela Merkels und Wolfgang Schäubles. Und die Beantwortung dieser Frage bedingt makroökonomisches und volkswirtschaftliches Minimalwissen.

Zum Standardwissen – am liebsten schon in der Grundschule – gehören die 5 Konten der Volkswirtschaft: Staat, Privathaushalte, Unternehmen, Ausland und Banken, wobei Banken für das Thema dieses Artikels keine Rolle spielen. 

Eine zweite selbstverständliche Wahrheit ist, dass global alle Guthaben, den globalen Schulden gegenüberstehen. Die Bilanz beider ergibt stets NULL. Etwas anderes wäre eine Katastrophe biblischen Ausmaßes. Die neoliberale Hautevolee der deutschen Volkswirte und Berater der Merkel Regierung überzeugen fortlaufend die Kanzlerin, nebst Entourage, sowie die Landesregierungen und Landesparlamente von der Richtigkeit des Sparens und „übersehen“, dass Deutschland keine eigene Währung hat. Es ist Teil eines Größeren, das sich allmählich nicht mehr die deutsche Eskapade des volkswirtschaftlichen Niederwirtschaftens der übrigen Euroländer gefallen lässt!

Deutschland bestand, bei der Formulierung des Maastricht Vertrags, auf die Festlegung des Inflationsziels von knapp unter 2% (1,9%). Diese Marke durfte weder deutlich überboten noch deutlich unterboten werden. Der Hebel „Inflationsrate“ ist ein wichtiger Ankerpunkt, wenn keine eigene Währung da ist, die ab- oder aufgewertet werden kann. Und das ist beim Euro der Fall.

Deutschland hielt sich nicht an die eigenen Vorgaben und unterbot die 2% Marke erheblich und auf Dauer. Weil nicht die eigene Währung abgewertet werden konnte, blieb die Anpassung der Produktivität je Arbeitsstunde als einzige Option. Steigt die Produktivität und steigen die Löhne um das Inflationsziel ist alles in Ordnung. Stagnieren, resp. fallen, die Löhne bei steigender Produktivität, zeichnet sich ein Wettbewerbsvorteil ab, der, bezieht man die wirtschaftliche Größe Deutschlands ein, Verwerfungen produziert, die sich unmittelbar auf andere Volkswirtschaften desselben Währungsraums auswirken. Alternativ formuliert: Ein Franzose oder ein Italiener kauft kein französisches oder italienisches Auto, wenn das deutsche, bei gleicher oder besserer Qualität, 20%-30% billiger zu haben ist?

Wenn aber die französische Binnennachfrage (wie in jedem anderen Euroland natürlich auch) um 20% oder 30% einbricht, werden auch 20% oder 30% weniger Waren gekauft, werden 20% oder 30% weniger Arbeitsplätze benötigt. Schrumpft die Kaufkraft aufgrund einbrechender Einnahmen aus Löhnen und Gehältern, schrumpft die Wirtschaft in Gänze.

Nun ist aber die EU, so war sie eigentlich gedacht, ein Solidarprojekt und die deutschen Produkte, mit Billiglöhnen hergestellt, mussten Abnehmer finden. Sparen Privathaushalte und Unternehmen bleiben zwei übrig: Der Staat und das Ausland. Vom Ausland konnten Frankreich oder Italien bedingt positives erwarten, um den geschrumpften Binnenmarkt auszugleichen. Also nahmen die Staaten Kredite auf, um das eigene Leistungsbilanzdefizit anzupassen. Franzosen, Italiener, Griechen, Spanier etc. verschuldeten sich, weil Deutschland Exportweltmeister bleiben wollte. Auf ihre Kosten! Absurd dabei ist im Nebensatz die Forderung der EU-Kommission an Frankreich zu nennen, sein Defizit zu senken, wie es Madame Merkel empfiehlt. Sagt aber nicht, wie!

Der grundlegende Fehler in der Rechnung der Merkelregierung bleibt die Weigerung zu erkennen, dass sich der Euroraum deshalb stabil und sehenden Auges in eine Deflation bewegte, dadurch politische Kräfte mobilisierte, die als überwunden galten, weil die Lohnstückkosten (Löhne und Gehälter im Verhältnis zur Produktivität) der größten Volkswirtschaft des Euroraums gefährlich niedrig gehalten wurden. Löhne und Gehälter im Verhältnis zur Produktivität entscheiden weltweit darüber, ob eine Wirtschaft stabil, inflationär oder deflationär ist. Weil jedoch nicht die Produktivität negativ gesteuert werden kann und/oder soll, bleibt nur die Stellschraube „Löhne und Gehälter“ übrig.

Wenn der Blick auf das heutige Deutschland gerichtet wird, steht fest, dass 3 Konten der Volkswirtschaft „sparen“: Privathaushalte, Unternehmen UND Staat. Es wird nicht, bzw. viel weniger investiert, als das Invest, das nötig wäre, um eine Inflation, und schlimmer noch, eine Deflation zu verhindern. Es bleibt allein das Konto „Ausland“ übrig. Wir erwarten von anderen Volkswirtschaften, dass sie sich, wenn es nicht anders geht, gar verschulden (bei uns, bei Banken), um unsere Wirtschaft in Gang zu halten und unseren Handelsbilanzüberschuss zu garantieren. Wir exportieren schlussendlich Arbeitslosigkeit in andere Länder, um unsere abzuschaffen! Wir vermehren unsere Gewinne mit den Schulden der anderen Länder. Dies hat aber weder mit der Tüchtigkeit noch mit der Produktivität der Deutschen zu tun. Allein die Lohnstückkosten sind dafür verantwortlich. Deutschland hat sich dem Merkantilismus verschrieben und er hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts tun, aber mit marktgerechter Demokratie!

Angela Merkel empfiehlt den unter Druck geratenen Euroländern – vornweg Griechenland und nun auch Macrons Frankreich-, es Deutschland gleich zu tun, zu sparen und produktiver zu werden, somit dann schlussendlich so wettbewerbsfähig werden, wie Deutschland. Alle sollen wettbewerbsfähig werden, dann lösen sich die Probleme von selbst. Aber diese Empfehlung richtet sich gegen die Logik und ist überdies ein mathematisches Paradoxon. Mindestens einer MUSS sich für die Überschüsse anderer in gleicher Summe verschulden. Es ist kein Zeichen soliden Haushaltens, wenn letzteres auf die Schulden der anderen baut. Die deutschen Überschüsse werden den anderen Volkswirtschaften zum Teil als verzinste Kredite angeboten, damit die Schuldner deutsche Produkte kaufen können. Diese Haltung zerstört nicht nur die Volkswirtschaften anderer Länder, sondern insbesondere den Europäischen Gedanken. Rechtsnationale Parteien, frei nach Brecht, sind lediglich die Brut, die aus diesem Schoße kriecht. Ein offener Krieg mit Armeen wäre nicht verheerender!

Überdies wird die Vokabel „sparen“ nicht recht platziert! Das Sparen hat in der Mikroökonomie durchaus eine kurzzeitige Existenzberechtigung, um bspw. ökonomische Fehlentscheidungen einer schwäbischen Hausfrau zu korrigieren. Wenn aber auf Dauer alle schwäbischen Hausfrauen aus ideologischen Gründen sparen, zu wenig konsumieren, zu wenig nachfragen, beschleunigen sie den eigenen ökonomischen Niedergang und lassen zu, dass ihre Überschüsse schnell schwinden (s. Negativzinsen, Währungsabwertung, Preissteigerung).

Was für die schwäbische Hausfrau gelten mag ist aus makroökonomischer Sicht verkehrt. Ein Staat ist keine schwäbische Hausfrau, weil eine schwäbische Hausfrau keine Schulen, keine Straßen, kein Sozialwesen, keine Infrastruktur, keine Armee, keine Verwaltung, keine Parlamente und vieles mehr vorhalten muss! Die Mikroökonomie braucht sich nicht um staatliche Pflichten kümmern.

Frau Merkel empfiehlt allen so wettbewerbsfähig zu werden, wie Deutschland. Demnach sollte jeder Sportverein künftig jeden Sonntag gewinnen. Immer!

 

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