11 Feb 2020

Heinz-J. Bontrup: Kaesers PR-Aktion…und das Eigentor von Fridays for Future

Man hat sich die Augen gerieben. Da bietet der CEO von Siemens, Joe Kaeser, der Umweltaktivistin, Luisa Neubauer, in der neuen international aufgestellten Siemens Konzernsparte Energy einen Sitz im Aufsichtsrat (AR) an.

Die Sparte hat große Probleme mit Kapazitätsanpassungen und Personalabbau. Nicht deshalb, sondern wegen Investitionen in eine australische Kohlemine, die über 60 Jahre lang ausgebeutet werden soll, hatte die deutsche Aktivistin von Fridays for Future den Siemensboss heftig kritisiert. Dabei ging es um technische Investitionen in Höhe von 18 Millionen Euro; für Siemens eine nur lächerliche Summe.

Die Antwort auf das „unmoralische Angebot“ von Kaeser für den AR kam schnell: Neubauer lehnte ab: Sie fand die Offerte von Kaeser, aus seiner Sicht, zwar „strategisch gut geplant“ aber die Herangehensweise sei „unprofessionell“. Und außerdem unterläge sie, nachdem sie sich rechtlich informiert hätte, bei Annahme des Mandats einer Treuepflicht gegenüber Siemens. Mit der AR-Aktion hat sich Kaeser, aber noch mehr Siemens, einen Bärendienst erwiesen.

Und auch Fridays for Future hat ein Eigentor geschossen! Erstens: Weil Treuepflicht in einem AR in erster Linie bedeutet, Verantwortung zum Wohle des Unternehmens zu übernehmen. Und was ist mehr als verantwortungsvoll, wenn hier ein AR-Mitglied auf strategische und langfristige Nachhaltigkeit setzt? Gerade dies wird von Fridays for Future zu Recht für die Umwelt eingefordert. Hier bestehen also eine einhundertprozentige Deckung und kein Widerspruch. Warum aber trotzdem die Verantwortung nicht angenommen wurde, läßt sich nicht nachvollziehen.

Zweitens: Neubauer hätte mit der Annahme des AR-Sitzes das Kapitalmehrheitsverhältnis gegenüber der Beschäftigtenvertretung im AR zum Einsturz gebracht. Mit ihrer Stimme wäre die Vertretung der Belegschaft auf eine Mehrheit im AR gekommen. So hätte man die Macht gehabt und zeigen können, wie Umwelt- und Arbeitsinteressen in einem Unternehmen zu versöhnen sind und wie man sie gegen das Kapital durchsetzen kann.

Ich gehe davon aus, dass, nachdem man Kaeser von der Kapitalseite auf seinen Riesenfehler aufmerksam gemacht hat, er nur noch von einem „Gremium für Umweltfragen“ etwas wissen wollte und nichts mehr von einem Sitz im Aufsichtsrat. Sollte dies tatsächlich so sein, so wäre das allerdings, entgegen der Meinung von Kaeser, nun wirklich nur ein PR-Gag gewesen.

Erschienen in Frankfurter Rundschau vom 7. Februar 2020, S. 16

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