30 Mrz 2023

Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup: „Die 4-Tage-Woch ist ein Fake“

Ökonom Heinz-Josef Bontrup über Ideen, die sich nur Besserverdienende leisten können, kürzere Arbeitszeiten und den Personalmangel.

Einige Unternehmen testen die Vier-Tage-Woche. Der Ökonom Heinz-Josef Bontrup ist nicht überzeugt von dem Konzept. Er fordert im Interview mit der Frankfurter Rundschau eine echte Verkürzung der Arbeitszeit.

Herr Bontrup, sind Sie ein Fan der Vier-Tage-Woche?

Nein, ich bin kein Fan einer sogenannten Vier-Tage-Woche, die lediglich eine Arbeitsumverteilung impliziert. Sondern ich bin seit Jahrzehnten ein Fan einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Das größte Problem vor dem Hintergrund der bestehenden hohen Arbeitslosigkeit und zusätzlichen Unterbeschäftigung von Millionen Menschen in Deutschland ist allerdings, dass die abhängig Beschäftigten sich nicht hinreichend in den Gewerkschaften organisieren. Deshalb fehlt bislang eine Koalition, die die Macht hat, eine Arbeitszeitverkürzung durchzusetzen.

Hinter dem Schlagwort der Vier-Tage-Woche verstecken sich verschiedene Modelle. Bei einigen wird der einzelne Arbeitstag dafür länger. In Belgien können Beschäftigte zum Beispiel ihre Wochenarbeitszeit von 40 Stunden an vier Tagen leisten. Andere Modelle reduzieren tatsächlich die Arbeitszeit – statt 40 Stunden an fünf Tagen arbeiten die Beschäftigten dann 30 oder 35 Stunden an vier Tagen. Welches Modell ist sinnvoll, welches nicht?

Sie werfen hier die ganze Bandbreite von diskutieren Arbeitszeitverteilungen pro Woche oder auch pro Monat auf. Das sind aber keine Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohn- und Personalausgleich, wie ich sie seit langem fordere. Die zurzeit in einigen Ländern in Pilotprojekten, auch in einzelnen deutschen Unternehmen, erprobten Vier-Tage-Wochen sind deshalb nur ein Arbeitszeitverkürzungs-Fake. Und ich muss mich mehr als wundern, wenn hier bei einer nur anderen Arbeitszeitverteilung betont wird, dass dies bei vollem Lohnausgleich stattfinden würde. Ja, wie denn wohl sonst? Wäre das nicht der Fall, so käme es zu drastischen Einkommenskürzungen bei den abhängig Beschäftigten. Und übrigens: Nicht eine diskutierte Vier-Tage-Woche will die Arbeitszeit auf eine 30- oder 32-Stunden-Woche reduzieren. Dies würde eine sofortige Produktivitätssteigerung von rund 20 Prozent bedeuten. Das ist ökonomisch völlig unrealistisch.

Sehen Sie denn überhaupt keine Vorteile einer Vier-Tage-Woche?

Nun ja, einige abhängig Beschäftigte sind der Auffassung, es hätte Vorteile für sie, wenn sie statt 5 mal 8 Stunden, also 40 Stunden, jetzt 4 mal 10 Stunden, also auch 40 Stunden in der Woche, nur anders verteilt, arbeiten. Das will ich in Einzelfällen nicht in Abrede stellen. Darum geht es aber nicht. Es geht um die Volkswirtschaft als Ganzes. Und dass aus einer lediglich anderen Verteilung der Arbeit Produktivitätseffekte resultieren, müsste wissenschaftlich erst noch einmal nachgewiesen werden. Meine Prognose fällt hier eher negativ aus.

Bisher läuft die Wirtschaft zu großen Teilen im Rhythmus einer Fünf-Tage-Woche. Von Montag bis Freitag ist zu den üblichen Geschäftszeiten immer jemand im Dienst. Wie müsste man den Umstieg gestalten?

Der Umstieg einer Arbeitsumverteilung wird in den meisten Branchen der Wirtschaft überhaupt nicht gehen, denken sie nur an die vielen Arbeitsprozesse, wo man nicht mal einfach die Arbeit an einem Tag einstellen kann. So nach dem Motto, wir arbeiten jetzt die 40 Stunden in der Woche an vier Tagen ab. Am fünften Tag steht alles leer und wir schließen die Firma ab. Ganz „Schlaue“ argumentieren hier mit Energieeinsparungen, vergessen dabei aber die Nicht-Nutzung von Maschinen und Anlagen. Wer soll den Ausfall denn dann bitteschön am Ende bezahlen? Die Kunden, die durch die Arbeitsumverteilung zusätzlich noch auf eine schlechtere Erreichbarkeit der Firmen stoßen? Das ist alles paradox.

Zur Person

Heinz-Josef Bontrup , 70, ist Wirtschaftswissenschaftler mit dem Schwerpunkt Arbeitsökonomie. Von 1996 bis 2019 war er Professor an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen Bocholt Recklinghausen. Er engagierte sich in der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und verfasste mehrere Bücher. FR

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