24 Jun 2015

Die Deklaration von Delphi

von Redaktion

 

Über Griechenland und Europa

Europäische Regierungen, europäische Institutionen und der IWF üben jetzt in enger Zusammenarbeit, wenn nicht überhaupt unter der direkten Kontrolle von großen internationalen Banken und anderen Finanzinstitutionen maximalen Druck einschließlich offener Drohungen, Erpressung sowie einer Rufmord- und Terror-Kommunikationskampagne gegen die vor kurzem gewählte griechische Regierung und gegen das griechische Volk aus.

Sie fordern von der gewählten Regierung Griechenlands, das „Sanierungsprogramm“ und die angeblichen „Reformen“ fortzusetzen, die im Mai 2010 diesem Land auferlegt worden sind, angeblich um ihm zu „helfen“ und es zu „retten.“

Als Resultat dieses Programms hat Griechenland, die bei weitem größte wirtschaftliche, soziale und politische Katastrophe in der Geschichte Westeuropas seit 1945 erlebt. Es hat 27% seines Bruttoinlandsprodukts verloren, was mehr ist als die materiellen Verluste Frankreichs oder Deutschlands im Ersten Weltkrieg. Der Lebensstandard ist steil abgefallen, das System der sozialen Wohlfahrt ist so gut wie zerstört. Die Griechen haben gesehen, wie Rechte, die im Lauf eines Jahrhunderts durch Kämpfe errungen worden sind, einkassiert wurden. Ganze soziale Schichten wurden völlig zerstört, mehr und mehr Griechen stürzen sich von ihren Balkonen, um ein Leben voller Elend und Hoffnungslosigkeit zu beenden. Jede talentierte Person verlässt das Land, wenn sie kann. Die Demokratie wurde unter der Herrschaft einer „Troika,“ die als kollektiver Wirtschaftsmörder agiert, eine Art von Kafkas „Gericht,“ in eine reine Formalität umgewandelt in genau dem Land, in dem sie geboren wurde! Die Griechen erleben jetzt dasselbe Gefühl der Unsicherheit in Bezug auf alle Basisnotwendigkeiten ihres Lebens, das die Franzosen 1940 erlebt haben, die Deutschen 1945 und die Sowjets 1991. Im selben Zeitraum wurden die beiden Probleme, gegen die sich dieses Programm angeblich richten sollte, nämlich die Staatsschulden Griechenlands und die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft, massiv verschärft.

Jetzt verweigern europäische Institutionen und Regierungen sogar das vernünftigste, elemementare, kleinste Zugeständnis an die Athener Regierung, sie verweigern sogar die geringste gesichtswahrende Formel, die möglich wäre. Sie wollen eine totale Unterwerfung von Syriza, sie wollen ihre Demütigung, ihre Vernichtung. Indem sie den Menschen Griechenlands jeden friedlichen und demokratischen Weg aus ihrer sozialen und nationalen Tragödie verweigern, stoßen sie Griechenland in ein Chaos, wenn nicht in einen Bürgerkrieg. Übrigens wird in diesem Land schon jetzt ein nicht erklärter sozialer Krieg von „niedriger Intensität“ geführt, besonders gegen die Ungeschützten, die Kranken, die Jungen und die sehr Alten, die Schwachen und die Unglücklichen. Ist das das Europa, in dem unsere Kinder leben sollen?

Wir wollen unsere völlige, vorbehaltlose Solidaridät zum Ausdruck bringen für den Kampf des griechischen Volkes um seine Würde, für seine nationale und soziale Rettung, für seine Befreiung von der inakzeptablen neokolonialen Herrschaft, die die „Troika” einem Land Europas auferlegen will. Wir verurteilen die illegalen und inakzeptablen Abkommen, die aufeinanderfolgende griechische Regierungen unter Drohungen und Erpressung zu unterzeichnen gezwungen wurden, unter Verletzung aller europäischen Verträge, der Charta der Vereinten Nationen und der griechischen Verfassung. Wir fordern die europäischen Regierungen und Institutionen auf, ihre unverantwortliche und kriminelle Politik gegenüber Griechenland jetzt zu beenden. Wir fordern sie auf, sofort ein großzügiges Unterstützungsprogramm einzurichten, um die wirtschaftliche Situation Griechenlands wiederherzustellen und sich der humanitären Katastrophe entgegenzustellen, die sich in diesem Land bereits entfaltet.

Wir appellieren auch an alle europäischen Völker, zu realisieren, dass das, was in Griechenland auf dem Spiel steht, nicht nur griechische Löhne und Pensionen, griechische Schulen und Krankenhäuser, sondern das Schicksal einer historischen Nation, in der die Idee „Europa“ selbst geboren worden ist. Was in Griechenland auf dem Spiel steht, sind die spanischen, italienischen, ja sogar die deutschen Löhne, Pensionen, Sozialleistungen, ja das Schicksal des europäischen Sozialstaats, der europäischen Demokratie, Europas selbst. Hört auf, euren Medien zu glauben, die euch die Fakten sagen, nur um dann ihre Bedeutung zu verdrehen, überprüft selbst, was eure Politiker und eure Medien sagen. Diese versuchen die Illusion von Stabilität zu erzeugen. Ob Sie in Lissabon oder in Paris, in Frankfurt oder in Stockholm leben, Sie werden denken, dass Sie in relativer Sicherheit leben. Sie sollten nach Griechenland schauen, um die Zukunft zu sehen, die Ihre Eliten für Sie vorbereiten, für alle von uns und für unsere Kinder. Es ist viel leichter und intelligenter, sie jetzt zu stoppen, als das später möglich sein wird. Nicht nur die Griechen, sondern wir alle und unsere Kinder werden einen enormen Preis zahlen, wenn wir unseren Regierungen gestatten, die soziale Schlachtung einer ganzen europäischen Nation abzuwickeln.

Wir appellieren besonders an das deutsche Volk. Wir gehören nicht zu denen, die den Deutschen immer ihre Vergangenheit vorhalten, die sie in einer „niedrigen“ zweitklassigen Position halten, um den „Schuldfaktor“ für ihre zwielichtigen Ziele zu nutzen. Wir schätzen sehr die organisatorischen und technischen Fähigkeiten des deutschen Volkes, seine erwiesenermaßen demokratische und besonders ökologische Sensibilität und seine Sensibilität im Hinblick auf den Frieden. Wir wollen und wir brauchen das deutsche Volk als einen der wichtigsten Vorkämpfer beim Aufbau eines anderen Europas, eines prosperierenden, unabhängigen, demokratischen Europas in einer multipolaren Welt.

Die Deutschen wissen besser als alle anderen in Europa, wohin blinder Gehorsam gegenüber verantwortungslosen Führern führen kann und in der Vergangenheit tatsächlich geführt hat. Wir brauchen ihnen das nicht beizubringen. Sie wissen besser als alle anderen, wie leicht es ist, eine Kampagne mit triumphalistischer Rhetorik zu beginnen, nur um dann inmitten von Ruinen zu enden. Wir laden sie nicht ein, unserer Meinung zu folgen. Wir verlangen einfach von ihnen, sich gründlich die Meinung von solch distinguierten Anführern wie zum Beispiel Helmut Schmitt durch den Kopf gehen zu lassen, wir verlangen von ihnen, auf den größten deutschen Dichter der Moderne Günter Grass zu hören, auf die schreckliche Prophezeiung über Griechenland und Europa, die er wenige Jahre vor seinem Tod abgegeben hat.

Wir appellieren an euch, die Menschen Deutschlands, eine derartige „Faust”-Allianz zwischen den deutschen politischen Eliten und der internationalen Finanzelite zu unterbinden. Wir appellieren an die Menschen Deutschlands, ihrer Regierung nicht zu gestatten, damit fortzufahren, den Griechen genau das anzutun, was die Alliierten den Deutschen nach ihrem Sieg im Ersten Weltkrieg angetan haben. Lasst nicht zu, dass eure Eliten und Führer den gesamten Kontinent und damit letztendlich auch Deutschland in ein Herrschaftgebiet der Finanzelite umwandeln!

Mehr denn je benötigen wir dringend eine radikale Neustrukturierung der Schulden Europas, benötigen wir seriöse Maßnahmen zur Kontrolle der Aktivitäten des Finanzsektors, einen „Marshallplan“ für die europäische Peripherie, ein mutiges Umdenken und den Neustart eines Projekts Europa, das sich in seiner derzeitigen Form als unhaltbar erwiesen hat. Wir müssen jetzt den Mut finden zu handeln, wenn wir unseren Kindern ein besseres Europa hinterlassen wollen, nicht ein Europa, das in Trümmern liegt, in ständigen finanziellen oder sogar offenen militärischen Konflikten unter seinen Ländern.

Verfasst von den Konferenzteilnehmern

 

Ein Kommentar von Dr. Paul Craig Roberts:

Die Konferenz in Delphi über die von Washington geschaffene europäisch-russische Krise gab eine Erklärung heraus, die den Angriff der Europäischen Union auf Griechenland zurückweist.

Unter den Teilnehmern an der Konferenz befanden sich Michael Hudson und James K. Galbraith aus den Vereinigten Staaten von Amerika; ich fuhr nicht hin, schickte aber diesen Kommentar, der dort verteilt wurde. Weiters nahmen Intellektuelle aus Europa und Russland teil.

Die Deklaration von Delphi appelliert an die Völker Europas, besonders an die Deutschen, das Richtige zu tun und sich gegen die Plünderung Griechenlands durch das Eine Prozent zu stellen. Dieser Appell an den guten Willen wird wahrscheinlich auf taube Ohren stoßen, auch wenn die Ausplünderung Griechenlands einen Präzedenzfall schaffen wird, der dann auf Italien, Spanien, Frankreich und sogar auf Deutschland angewendet werden kann.

Der Finanzsektor im Westen finanziert keine realen Investitionen mehr in Produktionsstätten und deren Ausstattung. Ein großer Teil der produzierenden Wirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika ist ins Ausland verlagert worden und der Mangel an Einkommen auf Seiten der Konsumenten bedeutet, dass die Investitionsmöglichkeiten in den Vereinigten Staaten von Amerika sehr eingeschränkt sind. Mit den Derivaten scheint fremdfinanzierte Finanzspekulation an ihre Grenzen gestoßen zu sein. Das alles weist darauf hin, dass die Ausplünderung von Ländern unter dem Vorwand, ihre Schulden zu sanieren, den neuen Weg zur Schaffung von Reichtum bildet.

Der Finanzsektor hat sich der Ausplünderung des öffentlichen Sektors in den westlichen Ländern selbst zugewandt. Durch die Zerstörung westlicher Systeme der sozialen Wohlfahrt, wie das in Griechenland geschehen ist, werden öffentliche Mittel frei, die das Eine Prozent erbeuten kann. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist Obamacare ein Mechanismus, der es privaten Versicherungsgesellschaften erlaubt, die für das Gesundheitswesen bestimmten öffentlichen Mittel zu plündern. Der Beispiele gibt es viele, und Privatisierungen werden den Untergang öffentlicher Güter zur Folge haben, vom Gesundheitswesen über Bildung bis zu Pensionen.

Die Deklaration von Delphi erkennt das und warnt zu Recht die Italiener, Spanier, Franzosen und Deutschen, dass sie die nächsten auf der Liste der Länder sind, deren öffentliche Sektoren ausgeplündert werden sollen. Die Anführer Russlands und Chinas werden erfreut sein, wenn sie sehen, wie sich die westlichen Länder selbst konsumieren.

 

Teilnehmer der Konferenz:

Altvater Elmar, Germany
Member of scientific community of AΤTAC. Retired Professor of Political Science, Free  University of Berlin.

Amin Samir, Egypt/France
Economist, President of the Forum Mondial des Alternatives

Ayala Iván H., Spain
Researcher, Instituto Complutense de Estudios Internacionales

Arsenis Gerasimos, Greece
Εconomist, ex-minister of Economy, of Finance, of National Defense and of Education, ex-UN official and ex-director of UNCTAD

Artini Massimo, Italy
Member of Parliament 

Bellantis Dimitris, Greece
Lawyer, PHD in Constitutional Law, Member of the Central Committee of SYRIZA

Black William, USA
Professor of Economics, University of Missouri (Kansas City)

Cassen Bernard, France
Professor Emeritus, Université Paris 8, secretary general of ”Mémoire des luttes”

Chiesa Giulietto, Italy
Politician, journalist and author, ex MEP, president of the “Alternativa” association

Freeman Alan, Canada/UK
Geopolitical Economy Research Group, Business School, Director

Gabriel Leo, Austria
Director of the Institute for Intercultural Research and Cooperation (IIIC), Vienna, Member of the International Council of the World Social Forum, Coordinator of the NGO Committee for Sustainable Development of the United Nations

George Susan, France
Political and social scientist, writer, President of the Transnational Institute

Georgopoulos Dimosthenis, Greece
Economist, sociologist, political scientist, Secretariat on Industrial Policy, SYRIZA

German Lindsey, UK
Convenor, Stop the War Coalition

Graeber David, 
Professor of Anthropology, London School of Economics. Author of “Debt: The First 5,000 Years”

Hudson Michael, USA
Professor of economics, University of Missouri (Kansas City), UMKC. President, Institute for the Study of Long-term Economic Trends (ISLET)

Irazabalbeitia Inaki, Spain
Former MEP / responsible for International Relationships for the party ARALAR, Basque Country

Jennar Raoul Marc, France
Dr. in political sciences, specialist on European law and on WTO regulations, writer of twenty books, among them “Europe, la trahison des élites”

Kagarlitsky Boris, Russia
Director of the Institute for globalization studies and social movements (IGSO)

Kalloniatis Costas , Greece
Phd on macroeconomics, adviser to the Ministry of Labour, researcher in the Labor Institute of the General Confederation  of  Workers of Greece

Kasimatis Giorgos, Greece
Prof. Emeritus of Constitutional Law, University of Athens. Founder and Honorary President of the International Association of Constitutional Law, ex-advisor to PM Andreas Papandreou.

Koenig Peter, Switzerland
Εconomist / geopolitical analyst

Koltashov Vasiliy, Russia
Head of the economic research unit of the Institute for Globalisation and Social Movements

Konstantakopoulos Dimitris, Greece
Journalist, Writer, Coordinator of the Delphi Initiative

Koutsou Nikos, Cyprus
Member of Parliament from Famagusta

Kreisel Wilfried, Germany
Former Executive Director, World Health Organization

Mavros Giannis, Greece
Member of the National Council for the Claiming of Germany’s Debts to Greece

Mityaev Dmitry A. , Russia
Deputy Chairman of the Council for Study of Productive Forces of the Ministry of Economic Development and the Russian Academy of Sciences on Development Issues

Ochkina Anna, Russia
Head of Department of social theory at Penza State University

Pantelides Panagiotis, Greece
Economist, senior researcher, European Institute of Cyprus

Petras James, USA
Bartle Professor Emeritus , Binghamton University, Ex-Director of the Center for Mediterranean Studies (Athens), ex-adviser to the Landless Rural Workers  Movement of Brasil and the Unemployed Workers Movement in Argentina

Pinasco Luca, Italy
National coordinator of Proudhon Circles-Editor for foreign policy of the journal “L’intellettuale dissidente”.

Radika Desai, USA
Professor, Director of the Geopolitical Economy Research Group, University of Manitoba

Rees John, UK
Co-founder, Stop the War Coalition

Roberts Paul Craig, USA
Former Assistant Secretary of the US Treasury for Economic Policy, Associate Editor, Wall Street Journal, Senior Research Fellow, Stanford University, William E. Simon Chair in Political Economy, Center for Strategic and International Studies, Georgetown University, Washington, D.C.

Sideratos Aggelos, Greece
Publisher

Sommers Jeffrey, USA
Senior Fellow, Institute of World Affairs, Professor, University of Wisconsin-Milwaukee

St Clair Jeffrey, USA
Editor, CounterPunch, author, Born Under a Bad Sky

Stierle Steffen, Germany
Εconomist, ATTAC Germany 

Syomin Konstantin, Russia
Author, TV host at All-Russia State Television (VGTRK.com)

Tombazos Stavros, Greece
Professor of Political Economy, University of Cyprus, member of the international “Committee of Truth on Greek Sovereign Debt” (debt auditing committee) created by the Greek parliament

Vanaik Achin, India
Retired Professor of International Relations and Global Politics, University of Delhi

Xydakis Nikos, Greece
Minister of Culture

Zachariev Zachari, Bulgaria
President of the Slaviani Foundation

Zdanoka Tatjana, Latvia
Member of European Parliament

 

Schreiben Sie einen Kommentar