13 Feb 2017

Geldgier & sozialer Frieden

von Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup

 

Ex-Finanzminister Steinbrück vor dem „Cum-Ex“-Ausschuss des Bundestags

 

Interview mit Fabian Elsäßer/SWR und Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup, am 13.02.2017.

 

Es ist einer der größten, vielleicht sogar der größte Steuerskandal in der Bundesdeutschen Geschichte. Jahrelang haben inländische und ausländische Großinvestoren und Banken, den deutschen Staat zur Kasse gebeten: sie haben sich Steuern rückerstatten lassen, die sie nie gezahlt haben. Von bis zu 12 Mrd. Euro ist die Rede!

Der öffentliche Aufschrei blieb bisher aus. Die Berichterstattung ist vergleichsweise unauffällig. Das liegt vielleicht daran, dass dieser „Trick“, wie bei jeder gelungenen Finanzjonglage, schwer verständlich und schwer zu erklären ist.

Bei den sogenannten „Cum ex“ Geschäften, geht es um „Aktien mit“ (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch (Anm.: anschauliche Erklärung: so funktionierten die Cum-Ex-Geschäfte). Die beteiligten Investoren haben die Aktien solange untereinander hin und her verschoben, bis für die Steuerbehörden nicht mehr ersichtlich war, wem sie eigentlich gehören. Das Ganze ist so kompliziert, dass nicht einmal klar ist, ob es tatsächlich illegal oder nur sehr clever war.

In den Jahren zwischen 2002 und 2012, wurde dieses Steuerschlupfloch jedenfalls weidlich ausgenutzt, bis es durch eine Neuregelung endlich geschlossen wurde. Seit gut einem Jahr, beschäftigt sich der Cum-Ex Untersuchungsausschuss des Bundestages mit den dubiosen Dividendentricks. In dieser Woche sollen der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück und der amtierende, Wolfgang Schäuble, den Ausschussmitgliedern, Rede und Antwort stehen. So, wie es bisher aussieht, wurde bei der damaligen Gesetzgebung, teilweise wörtlich das übernommen, was große Wirtschaftskanzleien vorgeschlagen hatten.

Heinz-J. Bontrup ist Prof. an der Westfälischen Hochschule und Sprecher der Arbeitsgruppe „Alternative Wirtschaftspolitik“, seit den 1970. Jahren der Gegenentwurf zu den Wirtschaftsweisen.

 

Kann man das Cum-Ex Phänomen  als Gier einer ökonomischen Elite erklären oder ist es nüchternes Effizienzdenken von Großkonzernen im Sinne eines Share holder value´s für die Aktionäre?

Wir müssen es in einem größeren Zusammenhang einordnen. Natürlich ist es auch Gier, aber diese Gier hat in den letzten 20-30 Jahren sicherlich nicht nur in Deutschland, unter dem neoliberalen Paradigma der Umverteilung von unten nach oben, immer mehr zugenommen. Es wundert mich als Wirtschaftswissenschaftler eigentlich nicht, dass es jetzt zum (mit) größten steuerlichen Skandal gekommen ist, dem Fiskus, uns allen also, gigantische 12 Mrd. Euro vorzuenthalten.

 

Wer ermöglichte diese Tricks?

Man muss es so einordnen, dass die Geldmächtigen und Plutokraten nach Steuerschlupflöchern suchen. Man bedient sich eines breitaufgestellten Apparates von Steuerberatern, von Wirtschaftsprüfern, von Anwaltskanzleien um für sich und gegen die Gesellschaft, gegen das Ganze, solche Gesetzeslücken aufzutun um sich selbst zu bereichern und die Gier zu befriedigen.

 

Ist Regierungspolitik überhaupt in der Lage, sich gegen solche Tricks zu wehren, oder ist der Steuervermeidungssachverstand der Wirtschaftskanzleien und der Banken wirkungsvoller?

Wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, dass wir einen plutokratischen, geldmächtigen Kapitalismus bekommen haben und die Politik eigentlich wenig zu sagen hat und die Geldbesitzer durchregieren, wenn man an die Hedgefonds denkt, wo die Mitarbeiter der Banken, im Finanzministerium abgestellt waren, um die Gesetze zu formulieren. Das ist ein Ausverkauf der Politik, ein Ausverkauf der parlamentarischen Demokratie. Wenn wir von Geldmächtigen reden, dann müssen wir auch über die internationalen Fonds reden: der größte weltweit aufgestellte Fond nennt sich Blackrock. Er hat Ende 2016 eine Summe von 4,7 Bio. US-Dollar (4,3 Bio. Euro) verwaltet. Dieses Geld ist dann „mächtig“ in den Händen weniger, die dieses Geld international anlegen und dieses mächtige Geld kann dann auch Politik erpressen und von ihr verlangen, Gesetze so zu formulieren, damit die Reichen noch reicher werden. Das ist mittlerweile der Zustand der Welt und die US-Amerikaner haben mit Trump einen solchen Geldmächtigen, einen Plutokraten, zu ihrem Präsidenten gemacht.

 

Nun hat der Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung dieser Aktiendeals versucht, eine renommierte Steuerkanzlei zu zwingen, Unterlagen herauszugeben. Der Bundesgerichtshof hat das mit der Begründung aber abgelehnt „Die Antragsteller haben nicht hinreichend dargelegt, dass diese Beweismittel bedeutungsvoll seien. Wie ist diese Entscheidung zu bewerten?

Ich weiß nicht, welche Beweismittel der Untersuchungsausschuss dem Gericht vorgelegt hat. Aber ich halte solche Untersuchungsausschüsse in diesem Kontext nicht für zielführend. Wenn man notwendigerweise Untersuchungsausschüsse installiert, dann sollte man sie nicht mit Parlamentariern besetzen. Hier prüfen Parlamentarier andere Parlamentarier. Man weiß in der Regel, was dabei herauskommt. Das haben fast alle Untersuchungsausschüsse der Vergangenheit gezeigt…

 

…es sind ja auch Parlamentarier der Opposition dabei!

…ja, natürlich, aber dann fragen die Politiker jeweils ihre Parteigenossen. Und wenn diese Woche die beiden Finanzminister befragt werden, sitzen natürlich auch Vertreter dieser Parteien im Ausschuss. Wenn man schon Untersuchungsausschüsse einsetzt, zielorientiert wohlgemerkt und mit Ergebnisbefunden, dann sollen sie mit unabhängigen und möglichst von Wissenschaftlern besetz werden, die die Politiker befragen und der Sache auf dem Grund gehen.

 

Wie lässt es sich erklären, dass der damalige SPD-Finanzminister, Peer Steinbrück, einerseits er Schweiz „die Kavallerie“ androhte und anderseits, die Bankentricks in seiner Amtszeit fallen?

Das kann ich nicht beurteilen aber Fakt ist, dass wir es nach wie vor nicht geschafft haben – und das ist Politikversagen auf höchster Ebene, nicht nur in Deutschland und der EU, das gilt weltweit – die Steueroasen zu schließen. Wir haben nach wie vor Steueroasen in Europa, wo Reiche, am Fiskus vorbei, ihr Geld vermehren lassen. Den Panamaskandal rufe ich hier auch noch einmal in Erinnerung, wo bspw. die Commerzbank, die mit staatlichen Geldern seinerzeit, auf dem Höhepunkt der Finanz- und Weltwirtschaftskrise, 2008/2009, gerettet werden musste, heute in den Panamapapieren auftaucht, das sie Briefkastenfirmen unterhält. Dafür habe ich kein Verständnis. Das kann man nur, als 100% Politikversagen einordnen. Das sage ich als Wissenschaftler.

 

Was lässt sich aus diesem Skandal, über die Verantwortung von Reichen in unserer Gesellschaft ablesen?

Reiche haben sich immer bereichert, sonst wären sie ja nicht reich! Da erinnere ich an das Gedicht von Berthold Brecht „Reicher Mann und armer Mann“, und wenn sie sich dann als die großen Wohltäter aufspielen, indem sie Stiftungen gründen und dem Volk etwas zurückgeben, aber vorher noch Steuervorteile genießen, habe ich noch weniger Verständnis, zumal solche Spenden von Reichen zutiefst antidemokratisch sind, denn nur sie bestimmen, wer ihr Geld bekommt. In einer Demokratie hat nur der Staat über das Zwangsmonopol der Steuern zu bestimmen. Menschen müssen zwei Dinge tun: sterben und Steuern zahlen, gerecht Steuern zahlen. Und nur der Souverän, den wir alle wählen, hat das Recht diese Steuern in einer Gesellschaft zur Verteilung zu bringen und nicht die Reichen über Spenden.

 

Reicher Mann und armer Mann
Standen da und sah’n sich an

Und der Arme sagte bleich
Wär ich nicht arm wärst du nicht reich

(Berthold Brecht)

Cum-Ex Geschäfte: http://www.tagesschau.de/multimedia/bilder/cum-ex-deals102.html

 

 

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