21 Feb 2017

Nieten und andere Millionäre

von Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup

 

Vorstände und Geschäftsführer der Dax-30-Unternehmen bekommen – verdienen ist etwas anderes – das durchschnittlich 57-Fache ihrer Beschäftigten an Einkommen. Drei der 30 Dax-notierten Unternehmen (VW, Deutsche Post und Adidas) zahlen einem Vorstandsmitglied sogar mehr als das 100-Fache. Außerdem fließen Millionenbeträge von Pensionsansprüchen an die nicht selten nur als „Nieten in Nadelstreifen“ (Günter Ogger) zu bezeichnenden Manager. Auch die unzähligen „goldenen Handschläge“ für gegangene und entlassene Unternehmensführer sind hier aufzuführen, wie gerade mal wieder die Abfindungszahlung von zwölf Millionen Euro für die VW-Managerin Christine Hohmann-Dennhardt zeigt – ehemalige SPD-Ministerin und Bundesverfassungsrichterin. Sie erhält die Abfindung übrigens für nur 13 Monate Arbeit im VW-Konzern. Kann man solche Einkommens- und Vermögensexzesse noch ökonomisch erklären und rechtfertigen? Befragt man dazu die Wirtschaftswissenschaft und bittet um Aufklärung, so findet man leider keine brauchbare Lösung.

Weder in der Volks- noch in der Betriebswirtschaftslehre. Und auch die spezielle Personalwirtschaftslehre kann nicht helfen, wenn es um die exakte Determinierung der „Arbeitsentgelte“ für Topmanager geht. Dies gelingt aber regelmäßig auch bei den Arbeitsentgelten für die „normalen“ abhängig Beschäftigten nicht. Zwar hat die Wirtschaftswissenschaft hier ein paar Näherungsinstrumente für eine anforderungs- und leistungsorientierte Entgeltdifferenzierung erarbeitet. Wissenschaftlich objektiv ist dies aber nicht. Vieles bleibt im normativen Werturteil hängen.

Letztlich ist und bleibt die Höhe des Arbeitsentgeltes, und damit auch die von Managerbezügen, in der wirtschaftlichen Realität eine Machtfrage. Wer am meisten Macht auf seiner Seite hat, der setzt seine Interessen durch. Dies zeigen regelmäßig nicht nur alle Tarifrunden. Und selbst wenn man das Volk, wie in der Schweiz, nach einer normativ gesetzten Höchstbegrenzung für Vorstandsgehälter befragt, kann man sich einer Zustimmung nicht sicher sein. Jedenfalls lehnten es die Schweizer 2013 in einem Volksentscheid mit 65 Prozent ab, dass Vorstände nur noch maximal das Zwölffache des jeweils am schlechtesten bezahlten Mitarbeiters in ihrem Unternehmen erhalten sollten.

Aber nicht nur die hohen Einkommen einer kleinen Managerelite stellen ein für viele Menschen unerträgliches gesellschaftliches Privileg dar. Zusätzlich ist der in der Regel nicht bedachte Tatbestand zu berücksichtigen, dass Manager in einer Gesellschaft, die insgesamt immer nur arbeitsteilig funktionieren kann, außerdem noch die gesellschaftlich privilegierte Arbeit verrichten dürfen. Sie sollen schöpferisch, innovativ und leitend arbeiten. Ihre Arbeit ist nicht repetitiv und sie erfahren keine Entfremdung in der Arbeit, wie dies die Millionen von abhängig Beschäftigten täglich ertragen und erleiden müssen.

Wenn jetzt ein Leser glauben sollte, jeder könne ja Manager werden beziehungsweise jeder sei seines „Glückes Schmied“, um auch privilegierte Arbeit zu verrichten, dem sei gesagt, dass dies natürlich nicht geht. Denn wenn alle Manager sind, wer soll dann denn die stupiden, repetitiven Arbeiten verrichten? Wissenschaftliche Studien belegen außerdem, dass sich die Managerelite selbst reproduziert. Man besitzt Exklusivität. Eine soziale Durchlässigkeit ist trotz eines offenen Bildungssystems und einer „Bildungsexplosion“ in Deutschland nicht gegeben. Und sollte es doch einmal einem „Emporkömmling“ gelingen, in den „Club der Wirtschaftselite“ aufzusteigen, dann war dies reiner Zufall und widerspricht den immanenten Aufstiegsgesetzen der Managereliten in keiner Weise.

Jetzt könnte man allerdings dagegenhalten, dass die Manager wenigstens arbeiten. Im Gegensatz zu den Kapitaleigentümern, denen die Unternehmen gehören und die andere für sich arbeiten lassen, eigene Arbeit verabscheuen und sie deshalb auch längst eingestellt haben, um sich den schönen Dingen des Lebens hinzugeben. Ja, das stimmt! Juristisch gesehen sind Vorstände/Geschäftsführer auch nur abhängig Beschäftigte mit einem befristeten Arbeitsvertrag. Aber sie haben natürlich eine völlig andere systemische Rolle zu spielen: Sie sind die unternehmerischen Vertreter der Kapitaleigentümer. Und genau deshalb sind auch die Unternehmenseigner bereit, sie mit den hohen Einkommen auszustatten. Hier gilt der ökonomische Grundsatz: Was die Manager nicht bekommen, geht nun mal an die Kapitaleigentümer und nicht an die abhängig Beschäftigten.

Vor diesem ökonomischen Hintergrund ist der jetzt von der SPD gemachte Vorschlag, die steuerrechtliche Absetzbarkeit von Vorstandsbezügen auf maximal 500 000 Euro pro Jahr zu begrenzen, geradezu niedlich beziehungsweise naiv. Die SPD will damit die Managerzahlungen für die Kapitaleigentümer der Unternehmen teurer machen. Alle Zahlungen oberhalb von 500 000 Euro müssten nämlich aus dem versteuerten Gewinn der Unternehmen und damit zulasten der Kapitaleigner gezahlt werden. Das wird die Unternehmenseigentümer aber nicht im Geringsten von der hohen Bezahlung ihrer angestellten Manager abhalten. Somit laufen die jetzt hektisch initiierten Maßnahmen der SPD völlig ins Leere. Außer Wahlkampfgetöse wird am Ende davon nichts übrig bleiben.

 

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