04 Dez 2023

Dossier: Die Deutsche Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP) als Lobby-Organisation

Steuerung deutscher Außen- und Sicherheitspolitik

Wer und was verbirgt sich hinter der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP) als der einflussreichsten Lobbyorganisation?

Wie die Finanz- und Rüstungslobby mit ihren einflussreichen Netzwerken die geopolitische Sicherheits- und Außenpolitik der willfährigen deutschen Regierung steuert – Über die Strippenzieher der Militarisierung und Aufrüstung

Ein umfangreiches Dossier mit Fakten (statt „Verschwörungstheorien“) über die real existierenden Netzwerke der politischen Einflussnahme und ihre Vorgehensweise

„Lobbyismus ist schleichende Korruption.
Die Politik der Länder wird nicht von ihren Regierungen bestimmt.
Es sind die Eliten, Banken, Finanzkartelle, Konzerne und Monopole,
die das Sagen haben, auf dieser Welt! –
Und das Volk wehrt sich nicht!“
(Horst Bulla, deutscher Freidenker, Dichter und Autor)

Im November 2023 veröffentlichte die „Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V.“ (DGAP) in ihrem aktuellen „Policy-Brief“ einen dringenden Rat als Appell an die Regierenden: Innerhalb einer Frist von 6 bis 10 Jahren müsse Deutschland und die NATO ihre Streitkräfte „notfalls zum Kampf gegen Russland befähigen“. Deutschland müsse deshalb „einen Quantensprung“ wagen: „Die Bundesregierung muss binnen kürzester Frist die Bundeswehr personell stärken, die Rüstungsproduktion ausweiten und die Resilienz verbessern.“ Voraussetzung dafür sei ein „Mentalitätswechsel in der Gesellschaft“, so schreiben die beiden Autoren vom so genannten „Zentrum für Sicherheit und Verteidigung“ der DGAP – einer Lobbyorganisation mit dem ehemaligen Vorstandschef des größten deutschen Rüstungskonzerns als Präsidenten an der Spitze, der eine Zeitlang auch Vorsitzender des Lobbynetzwerkes „Atlantik-Brücke“ war, dem neben dominanten Wirtschaftvertretern auch zahlreiche Politiker und Spitzenjournalisten angehören.

Die DGAP versucht nach eigenem Bekunden, aktiv die außenpolitische Meinungsbildung auf allen Ebenen zu beeinflussen und die drastische Erhöhung der Rüstungsausgaben zu legitimieren, teilweise mit wissenschaftlichem Anspruch. Ziemlich offensichtlich folgten der Kanzler, der Verteidigungsminister und die Außenministerin (deren Ministerium die Lobbyorganisation sogar mitfinanziert), aktuell den Vordenkern und Vorgaben der DAGP bei ihrer politisch-militärischen „Zeitenwende“ hin zur „Kriegstüchtigkeit“. Angesichts der aktuellen Haushaltskrise hat die Rüstungsindustrie (nach kurzem Einbruch der bis dahin explodierenden Aktienkurse bei den Rüstungskonzernen Rheinmetall und Hensoldt) vor Einsparungen im prioritären Rüstungshaushalt gewarnt. „Das darf keinesfalls passieren“, sagte am 20. November 2023 die für den Rüstungsausschuss beim Bundesverband der Industrie (BDI) zuständige Chefin des Panzergetriebeherstellers Renk, Susanne Wiegand.

Deshalb hier ein gründlicher und umfassender Blick hinter die Kulissen der erfolgreichen Lobbynetzwerke von DGAP sowie auf die beteiligten Personen und Vernetzungen und deren Einfluss und Bestreben. Denn am 20. November 2023 veranstaltete die DGAP aktuell eine Paneldiskussion (nur für geladene Gäste) mit dem ukrainischen Botschafter und Agnes Strack-Zimmermann (FDP) – die als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag „ehrenamtlich“ drei Lobbyorganisationen der Rüstungsindustrie angehört*- mit dem Thema. „Deutsche und europäische Antworten auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine“. Ob die Öffentlichkeit von den Antworten daraufhin erfährt und die Politik wieder darauf abfährt?
*Siehe hierzu auch den Artikel im Lokalkompass unter: https://www.lokalkompass.de/c-politik/frechheit-siegt-wie-die-fdp-politikerin-marie-agnes-strack-zimmermann-ihre-naehe-zur-ruestungslobby-verharmlost_a1825561

TEIL 1:
BLICK HINTER DIE KULISSEN DER LOBBYNETZWERKE UND DEREN ERFOLGSSTORY

Der Rüstungslobby-Verein DGAP: Tummelplatz für Eliten aus Wirtschaft und Politik

Der „gemeinnützige“ Lobbyverein DGAP wurde 1955 von zwei Bankern gegründet – mit Unterstützung durch amerikanische und britische „Denkfabriken“ und durch überwiegend konservative deutsche Politiker sowie einflussreiche Wirtschaftsvertreter. (Näheres über die Gründungsgeschichte und die beteiligten Personen im Teil III dieses Dossiers). Unter dem derzeitigen Vorsitz des ehemaligen Konzernchefs des größten deutschen Rüstungsunternehmens Airbus, Thomas Enders – früheres CSU-Mitglied – tummeln sich in dem Lobbyverein DGAP heute wie damals (ohne Berührungsängste) fast alle Persönlichkeiten, die in Politik, Wirtschaft, Medien und Wissenschaft Rang und Namen haben.

Sie wollen im einträglichen Miteinander als Elite gemeinsam die deutsche und europäische Außen- und Sicherheitspolitik politisch „vordenken“ und letztlich steuern. Dies entspricht ihrem selber formulierten Selbstverständnis, wie nachfolgend noch näher belegt und in deren Veröffentlichungen dezidiert nachzulesen, so auch im aktuellen Jahresbericht der DGAP von 2022/2023. (Nicht gewählte Unternehmen wollen selber Politik machen, zumindest aber in ihrem Sinne beeinflussen?)

DGAP als „Strategischer Impulsgeber für die operative Außenpolitik“

Der langjährige Rüstungsmanager als DGAP-Präsident betont, man wolle „strategische Impulse in die außenpolitische Debatte tragen“. Der Lobbyverein mit seinem eigenen Forschungsinstitut biete deshalb „Expertise für strategische Lösungen in einer instabileren Welt“. Mehr als 40 Expertinnen und Experten arbeiten zu aktuellen außenpolitischen Themen und entwickeln konkrete Lösungsansätze, so wird auf der Homepage der DGAP stolz verkündet. Die DGAP versteht sich als „Berater, Vermittler und Impulsgeber für die operative Außenpolitik“.

Am Sitz der DGAP im Berliner Regierungsviertel „redet über Außenpolitik, wer sie macht“, so brüstet sich der „gemeinnützige“ Lobbyverein: „Regierungsmitglieder aus Deutschland und anderen Staaten, Abgeordnete und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Botschafterinnen und Botschafter kommen in jährlich über 150 Veranstaltungen und Hintergrundgesprächen“ des Lobbynetzwerkes zusammen. Sieben aktive Regionalforen tragen dann die aktuellen außenpolitischen Debatten „auch in die Bundesländer und nach Europa – von Hamburg bis München, von Düsseldorf bis Dresden sowie nach Brüssel.“

DGAP rät der EU zur Förderung „militärisch nutzbaren Spitzentechnologien“

Der EU rät die DGAP dringend, eine „geoökonomische Strategie“ zu entwickeln: Als allererstes müsse die EU „der Bewältigung harter wirtschaftlich-militärischer Sicherheitsrisiken Vorrang einräumen“. Bei den „harten Sicherheitsfragen“ gehe es vor allem um Spitzentechnologie, die sowohl kommerziell als auch militärisch von Nutzen sein könne“, so schreibt der DGAP-Vordenker Guntram Wolff auf seiner privaten Website. (Näheres zu seiner Person an anderer Stelle). Der Hauptfokus solle auf die „Erlangung spezifischer Technologieführerschaft“ liegen, um „geoökonomische Hebel aufzubauen“. Im Weiteren plädiert er mit Blick auf Rüstungstechnologien etwas verschwurbelt auch für eine Lockerung der Exportkontrollen.

Er bemängelt, dass die EU institutionell nicht auf ein „gemeinsames Verständnis von Sicherheitsrisiken“ vorbereitet ist, da die nationale Sicherheit in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten liege. Deshalb schlägt er als ersten Schritt die Bildung eines „Europäischen Ausschusses für wirtschaftliche Sicherheit“ vor, der „eine bessere Koordinierung der nationalen Sicherheitserwägungen mit der Wirtschaftspolitik der EU“ gewährleisten würde. (Als Hintergedanke lässt sich vermuten, dass es für die Wirtschafts- und Rüstungslobbyisten einfacher ist, in der leicht zugänglichen Lobbyisten-Hochburg Brüssel Einfluss zu nehmen als mühevoll auf die derzeit 27 Mitgliedsstaaten einzeln einzuwirken?) Deshalb ist die DGAP auch international vernetzt mit anderen „Denkfabriken“, unter anderem auch mit der Brüsseler Denkfabrik „Bruegel“. (Dazu Näheres im Teil III dieses Dossiers).

Internationale Vernetzung der Lobbyorganisationen

In der internationalen Politik firmiert die DGAP auch als „German Council on Foreign Relations“. In 2007 wurde zudem der „European Council on Foreign Relations“ (EFCR) als erste paneuropäische „Denkfabrik“ von 50 prominenten Persönlichkeiten einschließlich ehemaliger Regierungschefs und Minister aus der EU, den USA und der Türkei gegründet, mit 7 Büros in europäischen Hauptstädten einschließlich Berlin, um der EU eine starke Rolle in der Welt (neuerdings auch militärisch) zu verschaffen, insbesondere durch Militarisierung und Aufrüstung, zusätzlich und parallel zur NATO und zur nationalen Rüstung.

Bereits seit 1921 gibt es außerdem das private US-amerikanische Institut „Council on Foreign Relations“ für auswärtige Beziehungen, das vom Bankier Paul M. Warburg in New York mit gegründet wurde, der auch Mitbegründer der „Atlantik-Brücke“ war, die der DGAP partnerschaftlich verbunden ist, mit teils personellen Überschneidungen. Auch dort sind Finanzinstitute und Rüstungsunternehmen prominent vertreten. Hinzu kommt in dem Netzwerk noch eine ganze Reihe weiterer international vernetzter Lobby-Organisationen und Denkfabriken. (Dazu an anderer Stelle mehr).

Politik und Medien verschaffen den „Experten“ der DGAP ein seriöses Image

Allen genannten Lobby-Organisationen ist gemeinsam, dass sie sich in allzu engem Zusammenwirken von vernetzten Wirtschaftsführern mit hochrangigen Politikern und einflussreichen Journalisten sowie Wissenschaftlern einen offiziellen Anstrich geben – und sich damit ein seriöses Image sowie Gewicht und Macht und Einfluss verschaffen, während die breite Öffentlichkeit weitgehend außen vor ist und das Treiben und Wirken der erfolgreichen Lobbynetzwerke kaum mitbekommt. (Wie speziell die DGAP personell und organisatorisch aufgestellt ist und ihre Aktivitäten entfaltet, ist insbesondere dem Teil III dieses Dossiers faktenreich zu entnehmen. Im spannenden Teil II ist die Einbindung der lobbyhörigen Politiker offengelegt).

Lediglich bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern, in ihren Talkshows und Interviews, werden den unbedarften Zuschauern immer mal wieder die DGAP-„Experten“ in Außen- und Sicherheitsfragen als scheinbar „neutrale und kompetente Wissenschaftler“ mit ihren Meinungen präsentiert, ohne deren Hintergrund und Zugehörigkeit zu erfahren. Politik und Medien tragen also bereitwillig dazu bei, den „ unabhängigen Experten“ und den für die Lobbyarbeit angeheuerten Wissenschaftlern der DGAP einen kompetenten und seriösen Status zu verschaffen, die sich mit einem eigenem „Forschungsinstitut“, einem „wissenschaftlichen Beirat“ und einer großen Bibliothek als „Informationszentrum“ einen neutralen wissenschaftlichen Anschein gibt. Böse Zungen sprechen von „gekauften Wissenschaftlern“, trotz ihrer oft beeindruckenden Berufsbiografien einschließlich Harvard-Studium in den USA als Aushängeschild.

Daseinszweck und Präsenz der DGAP mit „wichtiger Rolle in der Außenpolitik“

Die bald 70 Jahre bestehende DGAP mit Sitz zunächst in Bonn (bis 1999) und dann an der Tiergartenstraße in Berlin, fußläufig zur Regierungszentrale, ist nach ihrem eigenen Selbstverständnis ein Netzwerk und eine „Denkfabrik für Außenpolitik“, neuerdings auch verstärkt für Sicherheits- und Verteidigungspolitik mit einem dafür eigens geschaffenen „Zentrum für Sicherheit und Verteidigung“ . Zu Ihrem 50-jährigen Jubiläum schrieb die DGAP am 3. Juni 2005 in ihrer Festschrift: „Heute müssen und wollen wir mehr sein als nur ein Wegbegleiter der deutschen Außenpolitik. Daher haben wir das Jubiläumsjahr auch intensiv genutzt, um die DGAP zu einem international wettbewerbsfähigen Think-Tank zu machen.“

Der damalige DGAP-Präsident Dr. Arend Oetker (von der Dr. Arend Oetker-Holding GmbH & Co.KG in Berlin – trotz verwandtschaftlicher Beziehungen nicht zu verwechseln mit dem Bielefelder Oetker-Konzern) hoffte in seiner Festrede im Beisein des damaligen Bundespräsidenten Horst Koehler, dass die DPAG auch in Zukunft „eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung, Begleitung und öffentlichen Erläuterung der deutschen Außenpolitik“ spielen werde. Wird diese also federführend in der DGAP konzipiert und konstituiert und nicht in der Regierungszentrale – oder sogar von beiden einvernehmlich zusammen? Dass Lobbyisten gelegentlich in Ministerien an Gesetzesentwürfen mitschreiben, ist ja unlängst ruchbar geworden. Mit der engen strategischen Einbindung der DGAP, in der sogar Regierungspolitiker Mitglied sind, erlangt der Lobbyismus eine neue Stufe.

DGAP prägt die außenpolitische Debatte auch mit „vertraulichen Runden“

Die Lobbyorganisation DGAP rühmt sich: „Wir prägen die außenpolitische Debatte in Deutschland.“ Wegen der „wachsenden Komplexität globaler Herausforderungen“ wolle man „Fehlinformationen vorbeugen“ und „zu einer faktenbasierten und sachlichen außenpolitischen Debatte beitragen“. Wird sie diesem Anspruch (aus dem Sichtwinkel der einbezogenen und Interessegeleiteten Rüstungsindustrie) gerecht? Die DGAP bietet ihren Mitgliedern unter anderem Vorträge, Kamingespräche, Podiumsdiskussionen, so genannte „Early Bird-Events“ („der frühe Vogel“) sowie Debatten und Diskussionsveranstaltungen mit Partnern aus dem Bundestag, der Wirtschaft, Stiftungen und anderen Think Tanks.

Interessierte werden so umgarnt: „In vertraulicher Atmosphäre diskutieren wir mit hochrangigen Expertinnen und Experten aktuelle außenpolitische Themen, politische Hintergrundszenarien und strategische Fragen der Außenpolitik. Nach den Veranstaltungen ist Gelegenheit zu einem persönlichen Austausch und Kennenlernen“.

„Unabhängigkeit und Überparteilichkeit“ der DGAP?

Dabei behauptet die DGAP: „Unabhängigkeit, Überparteilichkeit und Ergebnisoffenheit der Forschung sind unumstößliche Standards und das höchste Gut der DGAP“ und verweist dazu auf ihre internen Richtlinien. Manches erfolgt jedoch teilweise auch über „vertrauliche“ Studiengruppen und Workshops. Den Unternehmern bietet sie an, im Förderkreis der DGAP „an einem regelmäßigen Austausch mit politischen Entscheidern teilzunehmen.“ Als „ein Highlight“ betrachtet die DGAP-Verwaltungsdirektorin Monika Lüke im Jahresrückblick die „strategischen Reden von fünf Kabinettsmitgliedern bei uns: Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Innenministerin Nancy Faeser, Entwicklungsministerin Svenja Schulze und des Ministers für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir.“ Die Ex-Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hielt am 12. September bei
der DGAP „eine vielbeachtete Grundsatzrede zur Nationalen Sicherheitsstrategie.“

Den Ton gibt derzeit bei der DGAP deren Leiter des so genannten „Zentrums für Sicherheit und Verteidigung“, Christian Mölling an: „Die Umsetzung der Zeitenwende in puncto Verteidigung wird der Schlüssel zum Gesamterfolg der derzeitigen Regierung sein.“ Dazu will die DGAP „sowohl in vertraulichen Hintergrundgesprächen als auch in öffentlichen Podiumsrunden Handlungsoptionen für die Politik formulieren“. Es ist auffällig, dass die Berater ziemlich einseitig auf gewaltsame oder rein miltärische Konfliktlösungen ausgerichtet sind, also kurzsichtig auf Konfliktlösungen mit Waffengewalt oder mittels Waffenlieferungen und Drohgebärden zur „Abschreckung“. Gewalt soll notfalls mit Gegengewalt beantwortet werden. (Wohin das führt, ist derzeit im Nahost-Krieg zu beobachten). Aufrüsten und Waffenproduktion erscheint als Reaktion auf den Ukraine-Krieg das einzige Konzept. Von weitsichtigen politischen Konzepten und diplomatischen Anstrengungen ist wenig bis gar nichts zu sehen – als ob die problemlösenden Erkenntnisse jahrelanger Konfliktforschung zur zivilen Konfliktlösung unbekannt sind und komplett ausgeblendet werden, weil die Waffenlobby damit nichts verdienen kann.

Nicht zu übertreffende Kompetenz der DGAP in allen außenpolitischen Fragen?

Zum Team der DGAP gehört auch Aylin Matlé als zuständige „Expertin für Sicherheits- und Verteidigungspolitik Deutschlands und der USA, für Transatlantische Sicherheits- und Verteidigungsbeziehungen und NATO“ – zuvor stellv. Leiterin des Israel-Büros der CDU-nahen Konrad Adenauer-Stiftung. Die „interdisziplinäre Expertise im Team zur deutschen, europäischen und transatlantischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik soll die Basis für diese Arbeit bilden“, so ist im Jahresbericht zu lesen, mit folgendem Anspruch: „Wir analysieren die militärischen Fähigkeiten Deutschlands und technologische Innovationen, aber auch Rüstungskooperationen mit Verbündeten. Ebenso sind nukleare Abschreckung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung wichtige Themen“. (Dann kann der neue Verteidigungsminister Pistorius aus dem Vollen schöpfen? Für ihn hatte die DGAP nach Amtsantritt sofort ein 10-Punkte-Programm parat – oder hat er das selber entwickelt?).

Die DGAP nimmt auf diese Weise als Lobbyorganisation massiv und professionell Einfluss, mit dem eigenen „Praxis- und handlungsorientierten“ Forschungsinstitut mitsamt wissenschaftlichem Beirat, dem „Zentrum für Sicherheit und Verteidigung“, einem „Informationszentrum“, einer eigenen Fachzeitschrift und Rundbriefen für Außenpolitik sowie mit verschiedenen Gremien und Veranstaltungen sowie dezentralen Regionalforen, zuletzt 60 an der Zahl. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine nimmt sie überdies auch Einfluss mit wöchentlichen „Morning Briefings“ für politische Entscheidungsträger und die nationale und internationale Presse (die dann die Sichtweise der DGAP nur noch zu übernehmen brauchen?).

DGAP drängt auf Realisierung der „Zeitenwende“ mit höherem Militärhaushalt

Dazu der DGAP-Geschäftsführer Guntram Wolff: „Unser Team konnte politischen Entscheidungsträgern in Berlin eine Außenperspektive näherbringen, denn es herrscht Unsicherheit über die deutschen Prioritäten. Wir legen einen Fokus auf EU-Sicherheits- und Erweiterungspolitik.“ (Wie gut, dass die kompetente DGAP den orientierungslosen Entscheidungsträgern in Berlin und Brüssel die außenpolitischen Prioritäten für Deutschland vorgibt?)

Als Herausgeber von „Deutschlands führender Fachzeitschrift zur internationalen Politik“ brüstet sich die Lobbyorganisation DGAP: „Internationale Politik in unserer Zeitschrift IP fängt dort an, wo Nachrichten aufhören: Sie liefert klare Analysen und detaillierte Hintergründe zu den komplexen Themen der auswärtigen Politik. Die IP erscheint alle zwei Monate und ist sowohl im Abonnement als auch bundesweit im Bahnhofs- und Flughafenbuchhandel erhältlich.“

Stimme der DGAP pro Rüstungshaushalt „in historischen Zeiten“ unverzichtbar?

Der DGAP-Geschäftsführer schreibt im jüngsten Jahresbericht: „In diesen historischen Zeiten wird die klare und deutliche Stimme der DGAP mehr denn je gebraucht“. Und man wolle „unbequeme Wahrheiten“ im Zusammenhang mit der angekündigten „Zeitenwende“ aussprechen: Die angekündigte „Zeitenwende“ müsse Realität werden. Dazu gibt es eigens einen Leiter des Projekts „Aktionswerkstatt Zeitenwende“.

Auch auf das „Wie“ der „Zeitenwende“ hat die DGAP eine Antwort: „Klar ist: Die Bundeswehr benötigt nicht nur ein einmaliges Sondervermögen, sondern ein dauerhaft höheres Verteidigungsbudget“. Das haben Bundeskanzler Scholz und die Bundestagsmehrheit mit der Aufstockung sogleich beherzigt, obwohl sich das 100-Mrd-€ Sondervermögen für die Bundeswehr als eine Art „Selbstbedienungsladen für die Rüstungsindustrie“ erweist, wie die oppositionelle Linkspartei zutreffend kritisierte.

DGAP plädiert trotz Haushaltskrise für dauerhaft höhere Verteidigungsausgaben

In einer ganz aktuellen Publikation vom 28. November 2023 schreibt der DGAP-Vordenker Guntram Wolff darüber, wie Deutschland mehr Geld für das Klima und insbesondere für Verteidigung, also für Militär und Rüstung als „Zukunftsinvestition“ aufbringen kann. Zitat: „So wird die Bundesrepublik jetzt zwingend wesentlich mehr für ihre eigene Verteidigungsfähigkeit und die Unterstützung der Ukraine ausgeben müssen, wenn sie ihrer Verantwortung für die Sicherheit des Kontinents gerecht werden will.“ Weiter schreibt er: „Die Zeit der Friedensdividende nach dem Fall der Mauer ist vorbei. Ohne größere militärische und finanzielle Unterstützung der Ukraine würden deutsche Verteidigungsausgaben noch mal um einiges steigen müssen, etwa wenn russische Truppen an der Grenze der Slowakei wären.“

Sein Vorschlag zur Lösung der Haushaltskrise: „Neben der durch eine Verfassungsänderung abgesicherten 100 Milliarden Euro Schuldenaufnahme in ein Sondervermögen, das vor allem den Aufwuchs an militärischem Material finanzieren soll, werden jährliche Mittel von 0,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) notwendig sein, um verteidigungsfähig zu sein.“
Zur Finanzierung schlägt er die Abschaffung von zwei Feiertagen vor. Dadurch würden die wirtschaftlichen Aktivitäten erhöht und die Inflation gesenkt. (Zu diesen Einlassungen des Prof. Dr. Guntram Wolff erübrigt sich jeder Kommentar).

Die Mitgliederentwicklung der DGAP und ihre Finanzierung und Ausrichtung

Die DGAP mit über 80 hoch bezahlten Beschäftigten und einem Umsatz von ca.6,5 Mio. € zählt heute fast 3.000 Mitglieder, darunter führende Persönlichkeiten aus dem Bank- und Finanzwesen, aus Wirtschaft und Rüstungsindustrie, Politik und Medien sowie der Wissenschaft. Die DGAP finanziert sich über Projektmittel (34 %), Bundeszuschüsse (27 %), Mittel aus dem Förderkreis des DGAP e.V. (21 %), Mitgliedsbeiträgen (8 %), Umsatzerlösen (7 %) und sonstigen Erträgen (3 %). (Die interessante Aufschlüsselung der Geldgeber auch aus privaten Stiftungen und Unternehmen ist detailliert im Teil III dieses Dossiers zu ersehen).

Da der Bund über das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium sowie das Bundesamt BAMF die (aus der Privatwirtschaft gesponserte) Lobbyorganisation finanziell zu mehr als einem Viertel mitträgt, nutzt die Regierung natürlich intensiv deren kostenlose (?) Beratungsangebote und die maßgeblichen Empfehlungen der „außenpolitischen Experten“. Auf diese kann man sich dann politisch berufen und erspart sich obendrein eigene oder andere Expertise – so dass sich der staatliche Zuschuss auch bezahlt macht. Auch die EU-Kommission gehört zu den Unterstützern und Nutzern und orientiert sich unter Kommissionspräsidentin von der Leyen politisch an der DGAP. „Deutschland und die EU müssen Strategien und Maßnahmen entwickeln, die ihre wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen verteidigen und ihre Werte bewahren“, so gibt es DGAP-Direktor Guntram Wolff vor.

Die „Junge DGAP“ bringt dem Nachwuchs ihre außenpolitische Sichtweise bei

Die „Junge DGAP“ vernetzt außerdem mehr als 900 außenpolitisch Interessierte Mitglieder unter 35 Jahren, die dieses „einzigartige Kompetenz- und Karrierenetzwerk“ schätzen. Auf Ihrer Homepage umgarnt die GASP die jungen Leute: „Innovative Veranstaltungsformate, ein Fellowship- und Mentoring-Programm, fachliche Arbeitsgruppen sowie Mitmachangebote im Hauptstadtforum und in sieben Regionen ermöglichen die frühzeitige Förderung und Vernetzung strategisch denkender junger Persönlichkeiten.“

Für Interessierte unter 27 Jahren wurde der Mitgliedsbeitrag auf 40 € abgesenkt im Rahmen einer Werbeaktion: „Sie suchen noch ein Geschenk für Ihre Enkelin, einen Mitarbeiter oder für eine außenpolitisch interessierte Freundin? Wie wäre es mit einem Gutschein über eine einjährige Mitgliedschaft in der DGAP?“ Dort werden die jungen Leute „auf Linie gebracht“ in der außenpolitischen Zielrichtung der DGAP? So können sie damit die richtige Sichtweise einnehmen, „die sich von der Tagesberichterstattung deutlich abhebt“, so formulierte es in anderem Kontext der DGAP-Chefredakteur für internationale Politik, der ehemalige Politikchef der Presseagentur dpa, Martin Bialecki. (Auch Spitzenjournalisten hat man somit für die Lobbyagentur abgeworben, die gute und nutzbare Kontakte in die gesamte Medienlandschaft haben).
Weiteres zu den Gremien, Strukturen, Arbeitsweisen und zu den führenden Personen der DGAP im Teil III dieses Dossiers.

TEIL II:
ÜBER DAS ZUSAMMENSPIEL ZWISCHEN DGAP UND LOBBYHÖRIGER POLITIK

Einfluss der demokratisch nicht legitimierten Elite-Netzwerke

Der maßgebende Einfluss dieses Elite-Netzwerks rund um die DGAP (mit Dominanz der führenden Wirtschaftsvertreter) erlaubt quasi keine Abweichung von der dort übereinstimmend entwickelten neuen Strategie und Zielrichtung in der Außen- und Sicherheitspolitik. Dort erfolgt die vorbereitende Meinungs- und Willensbildung, die von den ebenfalls mit eingebundenen Abgeordneten und Regierungsmitgliedern dann in die formellen Entscheidungsprozesse der eigentlich zuständigen, weil demokratisch legitimierten politischen Gremien getragen wird.

Dort sorgen dann DGAP-Präsidiumsmitglieder (und ebenso zahlreiche Mitglieder der „Atlantik-Brücke“ als deren strategischer Partner) über ihre darin eingebundene Politiker aller Parteien für die mehrheitliche Durchsetzung und den Vollzug. Hierbei droht jedoch ein Verstoß gegen das Demokratiegebot im Grundgesetz (Art. 20 Abs. 1 GG) und seine besondere Relevanz für das Verhältnis von Gesetzgeber und Exekutive in der Friedens- und Sicherheitspolitik. Doch diese geschieht ohne Skrupel oder Bedenken der Beteiligten, obwohl sie doch ihre eigenen (auch juristischen) Berater in Regierung, Ministerien oder Bundestagsverwaltung haben – und deshalb gar nicht auf die DGAP als zweifelhaften, weil nicht wirklich unabhängigen Ratgeber von außen angewiesen wären.

Kritik lobbykritischer Organisationen an den Machenschaften der DGAP

Die Initiative „Lobbycontrol“ kritisiert den maßgeblichen Einfluss von Lobbyorganisationen und Wirtschaft sowie Rüstungsindustrie auf die Gremien der „gemeinnützigen“ DGAP. In 2015 wurde z. B. über die Medien bekannt, dass das zur DGAP gehörende „Berliner Forum Zukunft“, die über Airbus und Turbojet gefördert wird, über mehrere Jahre Luxusexkursionen zu verschiedenen Standorten von Rüstungskonzernen für insgesamt 350 Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten organisiert, größtenteils finanziert durch Rüstungsfirmen wie Krauss-Maffei, Wegmann, MBDA und Airbus Helicopters.

Zu den Mitgliedern des Förderkreises der DGAP gehören außerdem die im Rüstungsbereich agierenden Unternehmen Airbus Defence and Space, Rheinmetall und die Rolls-Royce Group. Aus der grünen Bundestagsfraktion kam Kritik an der intransparenten Einflussnahme von Rüstungsunternehmen auf die Politik. Aktuell steht demgemäß der ehemalige Konzernchef eines Rüstungsunternehmens als Präsident an der Spitze der DGAP (wie an anderer Stelle näher ausgeführt).

Ein illustrer Personenkreis im Präsidium der DGAP lässt aufhorchen

Im neu besetzten Präsidium der DGAP sind neben den nachfolgend erwähnten Politikern sowie mehreren Wissenschaftlern und Unternehmensvertretern vor allem Persönlichkeiten vertreten, deren Namen und Funktionen aufhorchen lassen: Auf Platz 1 die Leiterin für Strategie und Analysen beim NATO-Generalsekretariat, Dr. Stefanie Babst, die auch schon dem vorherigen Präsidium angehörte. Außerdem Henri de Castries, der Vorsitzende der berüchtigten (nichtöffentlichen) „Bilderberg-Konferenz“ – die von Gerüchten umwoben ist und der übrigens auch der DGAP-Präsident Tom Enders angehörte. Ferner ist im DGAP-Präsidium als Vertreterin von Bertelsmann die Leiterin von Public Affairs“ vertreten, Katrin Gaertner. Der Begriff Public Affairs bzw. Politikkontaktarbeit bezeichnet die strategische, kommunikative Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse durch Organisationen an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. (Die engen strategischen und personellen Verflechtungen der DGAP mit Bertelsmann werden an andere Stelle dieses Dossiers dargelegt.)

Im Präsidium sitzt natürlich auch der langjährige Leiter der von Rüstungsunternehmen gesponserten „Münchener Sicherheitskonferenz“, Wolfgang Ischinger, Aktionär und Aufsichtsrat beim Rüstungskonzern Hensoldt, zugleich auch Mitglied in der „Atlantik-Brücke“. Von den Medien ist der Chefredakteur der „Neuen Züricher Zeitung“ im Präsidium eingebunden, außerdem die stellv. Leiterin des Berliner Spiegel-Büros, Christiane Hoffmann, inzwischen seit 2022 stellv. Regierungssprecherin der Bundesregierung in der Besoldungsgruppe B 10 mit über 13.000 € Monatsgehalt. (Verpflichtet sie der Karrieresprung zur Lobbyarbeit?). Die „Bill & Melinda Gates Stiftung“ wird im DGAP-Präsidium durch Dr. Anja Langenbucher vertreten, um nur einige Präsidiumsmitglieder zu nennen.

Hilfreiche Politiker in großer Zahl als Präsidiumsmitglieder in der DGAP

Am 27. November wurden auch die Politiker im Präsidium des Lobby-Vereins DGAP neu zusammengesetzt nach dem Motto: „jünger, weiblicher, internationaler“ und das Gremium auf 24 Mitglieder verkleinert. Darunter ist die neu hinzugekommene Dr. Katarina Barley, SPD-Europa-Abgeordnete und Vize-Präsidentin des EU-Parlaments. Bis dahin tummelten sich im 40-köpfigen Präsidium der Lobbyorganisation DGAP ungeniert auch zahlreiche Politiker mit nutzbaren Schlüsselpositionen, darunter der CDU Bundestagabgeordnete Norbert Röttgen, Mitglied und ehemaliger Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag und derzeit auch stellvertretender Vorsitzender des Lobbyvereins „Atlantik-Brücke“, zuvor auch parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Bundestagfraktion. (In 2007 sollte Röttgen trotz Interessenkollision Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Industrie werden unter BDI-Präsident Olaf Henkel, dem späteren Mitbegründer und Vize-Vorsitzenden der AfD bis zu seinem Parteiaustritt).

Als weiterer CDU-Bundestagsabgeordneter tummelte sich bis 2023 im DGAP-Präsidium auch MDB Jürgen Hardt, ein ehemaliger Oberleutnant (Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und zeitweilig stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss und Europausschuss des Bundestags). Mit ihm sitzt in dem Lobby-Präsidium auch der CDU-MdB Johann Wadepuhl (Oberstleutnant der Reserve und stellv. Mitglied im Verteidigungsausschuss, im Auswärtigen Ausschuss und im Europaausschuss des Bundestages). Erwähnt sei auch der eingebundene CDU-Europaabgeordnete David McAllister (als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament), der auch dem neuen Präsidium wieder angehört.

Auch Ex-Politiker ohne Skrupel in den Lobbyisten-Netzwerken aktiv

Und auch bekannte Ex-Politiker sind ohne Skrupel in den Lobby-Netzwerken aktiv: Allen voran natürlich der Bertelsmann-Lobbyist Elmar Brok (bis 2019 langjähriger CDU-Europaabgeordneter und Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im EU-Parlament, vorher Vorstandmitglied im Bertelsmann-Konzern und Leiter des Lobbybüros von Bertelsmann in Brüssel). Auch er wurde in das neue Präsidium wiedergewählt, weil unverzichtbar wegen der Verbindungen zu Bertelsmann. Als weiterer Lobbyist war bislang auf der Präsidiumsliste Eckart von Klaeden zu finden, der ehemaligen CDU-Staatsminister des Bundeskanzleramtes und zuvor parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer, der dann zum Auto- und Rüstungskonzern Daimler AG wechselte – und sich deshalb ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der Vorteilsannahme einhandelte.

Die bisherige Liste der dienlichen CDU-Größen im zuvor 40-köpfigen DGAP-Präsidium war noch länger: Dort befand sich auch Annegret Kramp-Karrenbauer, die ehemalige Verteidigungsministerin und CDU-Bundesvorsitzende und Generalsekretärin der Partei. Außerdem ist sie jetzt Co-Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats (International Leadership Council) der US-amerikanischen Denkfabrik Center for European Policy Analysis (CEPA) in Washington. Zuvor war auch die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) im DGAP-Präsidium, heutiges „Ehrenmitglied“ und ehemaliges Kuratoriumsmitglied der Bertelsmann-Stiftung (inzwischen im DGAP-Präsidium dort abgelöst durch FDP-Politiker Andreas Pinkwart). Die DGAP erklärt sich trotz dieser CDU-Dominanz im bisherigen Präsidium für „parteipolitisch unabhängig“ und behauptet außerdem, sie sei „auf Demokratie, Frieden und Rechtsstaatlichkeit“ ausgerichtet.

Parteiübergreifende Lobbyarbeit in der DGAP von rechts bis links

Nicht nur konservative Unionspolitiker dienen sich dem Lobbyverein an, sondern von rechts bis links finden bzw. fanden sich bekannte Politikernamen auf der bisherigen Präsidiumsliste: MdB Nils Annen von der Regierungspartei SPD als deren außenpolitischer Fraktionssprecher (zugleich Mitglied in der „Atlantik-Brücke“), außerdem sein Parteifreund Nils Annen (Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Von der FDP war nebst Bijan Djir Sareij (FDP-Generalsekretär) auch Alexander Graf Lambsdorff, ehemaliger Europa-Abgeordneter und FDP-Bundestagsabgeordneter (inzwischen Deutscher Botschafter in Moskau) im Präsidium vertreten.

Vom linken Flügel der Partei „Bündnis 90/ Die Grünen“ war MdB Jürgen Trittin auf der Liste zu finden (Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, ehemaliger Umweltminister, stellv. Fraktionsvorsitzender im Bundestag und grüner Spitzenkandidat 2013). Neu im Präsidium ist die grüne Europa-Abgeordnete Dr. Hannah Neumann (Sprecherin für Menschenrechte und Friedenspolitik). Noch erstaunlicher ist die Mitgliedschaft von Gregor Gysi, dem außenpolitischen Sprecher der Fraktion der Linkspartei im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der (inzwischen zerbrochenen) Fraktion. Gysi hatte 2015 auch die Mitgliedschaft des Linken-Abgeordneten Stefan Liebich im Lobby-Verein „Atlantik-Brücke“ verteidigt und Forderungen aus der Parteifraktion nach dessen Rücktritt zurückgewiesen. Als Alibi für die „Überparteilichkeit“ sind den Lobbyorganisationen also auch linke Unterstützer willkommen. (Wahrscheinlich kontrollieren die Linkspolitiker die Rüstungslobby bei ihrem grenzwertigen Treiben hinter den Kulissen?)

„Ehrenmitglieder“ der DGAP mit abweichender Meinung

Erstaunlich ist, dass unter den sechs „Ehrenmitgliedern“ des DGAP-Präsidiums mit Dr. Klaus von Dohnany (ehemaliger SPD-Bundesbildungsminister und Erster Bürgermeister von Hamburg) und Günther Verheugen (SPD, Ex-Vize-Kommissionspräsident der EU) zwei verdiente Ex-Politiker als „Querdenker“ mit abweichenden Meinungen in der momentanen Sicherheits-und Außenpolitik vertreten sind, die mit der DGAP-Ideologie kaum kompatibel sind – aber dort vielleicht eine Alibi-Funktion haben? Sie stellen sich gegen den militärischen Konfrontationskurs und drängen auf diplomatische Lösungen statt bedingungsloser Unterstützung der Ukraine, und für mehr Emanzipation von den USA. Klaus von Dohnany gibt sogar dem Westen eine Mitschuld an dem Krieg und dem Panzerkauf, „weil wir nicht geholfen haben, einen Krieg zu verhindern, der zu verhindern war.“ Damit stehen sie wohl ziemlich allein in der DGAP. Und in der auf Militarismus umgeschwenkten einstigen Friedenspartei SPD haben sie Empörung ausgelöst, ebenso bei den Grünen, die stramm auf Regierungskurs sind – im Sinne der Empfehlungen der DGAP?

Weitere, aber wohl linientreue „Ehrenmitglieder“ des DGAP-Präsidiums sind nebst Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), der Ex-Präsident der DGAP Dr. Arndt Oetker (Oetker-Holding Berlin) und Dr. Ursula Braun (von der Stiftung zur Förderung der Politikwissenschaften) sowie der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Karl Kaiser. „Ehre wem Ehre gebührt“.

Gewisse Politiker in den Lobbynetzwerken rund um die DGAP zeigen keine Scham

Die unglaublich lange Reihe der ehemaligen und der noch aktiven Spitzenpolitiker im DGAP-Präsidium und in dem strategischen Partnernetzwerk „Atlantik-Brücke“ ist erschütternd. Deren bedenkliche Einbindung in derartige Lobbyvereine und ihre nichtöffentliche Vorgehensweise im politischen Vorfeld gefährdet aber die Demokratie und die Transparenz der politischen Entscheidungsprozesse. Dennoch lassen sich die gewählte Regierung und das Parlament in Kenntnis dieser Strukturen und Personen auf diese (von außen gesteuerte) Netzwerkpolitik ein – und beteiligen sich sogar selber daran. Damit begeben sie sich in Abhängigkeiten und Verstrickungen und berauben sich damit ihrer politischen Handlungsspielräume.

Als nur ein weiteres Beispiel von vielen für eine multiple Politikerfigur in dem Lobbyisten-Netzwerk sei hier der Ex-Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU) genannt: Friedrich ist oder war zugleich Mitglied der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP), der „Atlantik-Brücke“ und des Präsidiums des „German Council on Foreign Relations“ sowie der „China-Brücke e.V.“ Er ist nicht der einzige und auch nicht der prominenteste Politiker, der die personelle Verbindung der Netzwerke untereinander repräsentiert. Von Ex-Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) und Ex-Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) als bezahlte Rüstungslobbyisten bei Rheinmetall oder Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel als Seitenwechsler nun in den Aufsichtsräten bei Thyssen Krupp und Siemens-Energy sowie Deutscher Bank erst gar nicht zu reden – Letzterer zugleich als amtierender Vorsitzender des Lobbynetzwerks „Atlantik-Brücke“.

Schon frühere Politiker-Generation hatte zur DGAP keine Berührungsängste

In früheren Jahren gelang der DGAP ab 1962 die Einrichtung eines Referats „Rüstungskontrolle und internationale Sicherheit“ und Einsetzung der „Studiengruppe Internationale Sicherheit“ (heute „für strategische Fragen“) unter dem Vorsitz des damaligen SPD-Verteidigungspolitikers Fritz Erler (spätere Vorsitzende: Helmut Schmidt, Karl Mommer, Alfons Pawelczyk, Egon Bahr, Karsten Voigt, Hans-Ulrich Klose, alle SPD). Die Studiengruppe tagte zum ersten Mal am 12. Januar 1962 und war „wohl überhaupt das erste größere Partei- und fachübergreifende außenpolitische Studienforum von internationalem Rang“ in der Bundesrepublik Deutschland (unter der Obhut der DGAP). Damals galt allerdings noch eine andere außenpolitische Ausrichtung in Zeiten des „Kalten Kriegs“ und der eingeleiteten Friedens- und Entspannungspolitik.

Am 24. Februar 1962 hielt sogar Robert F. Kennedy, Justizminister der USA, einen Vortrag über „The New Frontier and the New Europe“, den insgesamt über 600 Mitglieder, Gäste und Pressevertreter besuchten. Ein Jahr zuvor war Beginn eines internationalen Projekts „Strategie für Europa“ zwischen dem Institute for Strategic Studies (London), dem Centre d’Etudes de Politique Etrangère (Paris) und dem Forschungsinstitut der DGAP, das zu diversen Publikationen führte.

Hochkarätige DGAP-Unterstützer : Kanzler, Minister und Präsidenten

Als Mitglieder des geschäftsführenden Präsidiums bzw. Exekutivausschusses der Lobbyorganisation DGAP befinden sich über 70 Persönlichkeiten auf der langen Liste der zurückliegenden Jahrzehnte bis heute (einige inzwischen verstorben), die der DGAP zu Diensten waren – in trauter Eintracht mit den dortigen Wirtschafts- und Rüstungsvertretern. Darunter auch viele prominente Namen aus der Politik wie Prof. Karl Carstens (zeitweilig Bundespräsident), Dr. Gerhard Schröder (Ex-Kanzler), Volker Rühe (Ex-Verteidigungsminister der CDU), Hans-Dietrich Genscher (Ex-Außenminister der FDP), Dr. Otto Graf Lambsdorff (Ex-Wirtschaftsminister der FDP, verurteilt wegen Steuerhinterziehung in der Flick-Affäre), Prof. Dr. Carlo Schmidt (Ex-Bundesratsminister der SPD), Fritz Erler (Ex-Verteidigungsexperte der SPD) Hans-Ulrich Klose (Ex Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion), Walter Leisler Kiep (Ex-Schatzmeister der CDU, der im Parteispendenskandal und nach Kontakten mit dem Waffenhändler Schreiber der CDU rechtmäßig verurteilt wurde, aber „Ehrenvorsitzender“ der „Atlantik-Brücke“ blieb). Außerdem die schon erwähnten Spitzenpolitiker Dr. Klaus von Dohnany (Ex-Bildungsminister) Dr. Hans Friderichs (Ex-Innenminister) und Prof. Dr. Rita Süssmuth (Ex-Bundestagspräsidentin).

Noch länger und bemerkenswerter ist die prominente Liste des Gesamtpräsidiums über die Jahrzehnte. Dort finden sich auch die Namen weiterer Politiker – auch Kanzler, Minister und Präsidenten, also „alles was Rang und Namen hat“ in der bundesrepublikanischen Geschichte. Um nur einige herauszugreifen: Dr. Helmut Kohl, Dr. Richard von Weizsäcker, Katharina Focke, Dr. Hildegard Hamm-Brücher, Kurt-Georg Kiesinger (mit Nazi-Vergangenheit), Prof. Karl Schiller, Dr. Theo Waigel, Hans-Jürgen Wischnewski, Dr. Erich Mende, Wolfgang Mischnick, Horst Ehmke, Eberhard Diepken, Rudolf Scharping, Björn Engholm, Dr. Friedbert Pflüger, Prof. Dr. Host Tscheltschik, Günter Verheugen, Dr. Antje Volmer, Ludger Vollmer, Dr. Friedrich Zimmermann und andere mehr. Aber auch Namen von Gewerkschaftsvorsitzenden wie Monika Wulf-Mathies tauchen auf. Damit war die DGAP schon früh geadelt und nicht mehr in Frage zu stellen, aber zu der Zeit auch noch in anderer Verfassung und Mission.

Intransparente und verdeckte Förderung der DGAP

Eigentlich müssten diejenigen Politiker und Wissenschaftler sowie Journalisten geächtet werden, die sich heute für die Lobbynetzwerke hergeben, anstatt dadurch an Ansehen und Einfluss zu gewinnen. Dann würden die Lobbyvereine und ihr Einfluss geschwächt. Doch durch das finanzielle Engagement der Wirtschafts- und Rüstungslobbyisten in den Netzwerken festigen sie ihren Einfluss. Die Rüstungslobby macht Druck – mit Erfolg: Transparency International verweist darauf, dass Deutschland in den vergangenen Jahren den Verteidigungshaushalt stark vergrößert hat. „Der Zeitdruck, unter dem die Streitkräfte neu ausgerüstet und der Verteidigungshaushalt angehoben wurde, erhöht das Risiko, dass private Interessen auf Kosten des öffentlichen Interesses befriedigt werden“, schreibt die Organisation.

Der deutsche Sicherheitsexperte von Transparency International, Peter Conze, kritisiert zudem die verdeckte Förderung in der Denkfabrik DGAP und deren Intransparenz bei Zahlungen aus der Industrie. Wegen der engen Beziehungen zur Rüstungsindustrie haben Mitarbeiter die Denkfabrik verlassen, die aber weiterhin massiv und verstärkt Einfluss auf die politischen Entscheidungsprozesse in der Außen- und Verteidigungspolitik nimmt – aktuell mit besonders großem Erfolg. Inzwischen hat die DGAP aufgrund solcher Kritik ihre Finanzierung auf ihrer Website transparenter aufgeschlüsselt. (Konkrete Zahlen und Sponsoren im Teil III dieses Dossiers).

Folgt die Regierung in vorauseilendem Gehorsam den Vordenkern der DGAP?

In vorauseilendem Gehorsam hatte folglich der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius die Order seiner „Einflüsterer“ und „Ghostwriter“ von der Lobbyorganisation DGAP aufgegriffen, mit seiner im November geforderten „Kriegstüchtigkeit“ und den erzieherischen Anspruch eines dafür erforderlichen „Mentalitätswechsels“ in der Bevölkerung. Zuvor hatte schon Kanzler Olaf Scholz mit dem von der DGAP vorgeprägten Wortlaut die „Zeitenwende“ im Oktober öffentlich verkündet und teils umgesetzt oder eingeleitet, flankiert von der grünen Außenministerin Annalena Baerbock, die mit Blick auf die Ukraine eine zunehmende „Kriegsmüdigkeit“ in Deutschland beklagte.

Einer ihrer Vorgänger im Amt des Außenministers, der angesehene Hans-Dietrich Genscher (FDP), war übrigens als Pensionär eine kurze Zeit sogar Präsident des privaten Lobbyvereins DGAP, dem er seit 1993 angehörte. Jedoch hatte er Jahre später, im Januar 2009, zusammen mit Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker und Egon Bahr in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Erklärung für die Abrüstung und einen eindringlichen Appell gegen Atomwaffen veröffentlicht. Auch Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow ermahnte noch kurz vor seinem Tod eindringlich zur Demilitarisierung und Abrüstung. Er hielt Krieg auch nicht „als letztes Mittel der Politik“ für geeignet zu Konfliktlösungen – anders als der heutige SPD-Chef Lars Klingbeil mit seiner geäußerten gegenteiligen Auffassung: Er hält militärische Gewalt für ein legitimes Mittel der Politik – und liegt damit ganz auf der Linie der Lobbynetzwerke. Das verwundert nicht, denn der Soldatensohn aus einem militärisch geprägten Wahlkreis war eine Zeitlang in zwei Organisationen der Rüstungslobby eingebunden, in der „Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik“ und im „Förderkreis Deutsches Herr“, zusammen mit Rüstungsmanagern.

Wie frei und unabhängig sind die Politiker in Rüstungsfragen?

Einer seiner Vorgänger im Amt des SPD-Parteivorsitzenden, Friedensnobelpreisträger Willy Brandt, hielt dagegen Krieg nicht für die „ultima ratio“, sondern „ultima irratio“. Und Rüstungsexporte bezeichnete er zutreffend als „Exporte des Todes“. Demgemäß betrieb er als Kanzler eine erfolgreiche Abrüstungs- und Entspannungspolitik, die wesentlich zu fast 80 Jahren Frieden in Deutschland und Europa beigetragen hatte – während mit der heutigen Konfrontationspolitik unter Verzicht auf Diplomatie die Kriegsgefahr in Deutschland und Europa so groß ist wie nie zuvor. Zu den Anstiftern dieser unsäglichen Kehrtwende in der Außen- und Sicherheitspolitik gehört vorneweg die DGAP mit ihren einflussreichen Personen und Netzwerken.

Von der Politik seines erfolgreichen Vor-Vorgängers Willy Brandt ist der schwache Kanzler Scholz weit entfernt, der sich wie ein Getriebener gehorsam auf die strategische Linie der Bellezisten und Militaristen begeben hat und dazu seinem Verteidigungsminister Pistorius freie Hand lässt – soweit man innerhalb der NATO (und eingebunden in die US-dominierten Einflussgremien) überhaupt von Entscheidungs- und Handlungsfreiheit sprechen kann. Vor allem die Rüstungspolitik wird nicht allein im Bundeskabinett oder Bundestag gesteuert; das zu glauben, wäre geradezu naiv. Inzwischen wird sogar sehenden Auges eine drohende Atomkriegsgefahr negiert und verdrängt.

Mahnungen großer Staatsmänner werden von der DGAP „in den Wind geschlagen“

Dabei hatten schon vor über 25 Jahren namhafte US-amerikanische Politiker in 2007 und 2008 in dramatischen Appellen für eine atomwaffenfreie Welt plädiert, von Henry Kissinger – der trotz Kriegsverbrechen den Friedensnobelpreis erhielt und am 29. November 2023 als 100-jähriger verstarb – und Georg Shultz, William Perry und Sam Nunn bis hin zu Madeleine Albright, Colin Powell und Robert McNamara – also die meisten ehemalige Außen- oder Verteidigungsminister. Davon inspiriert, bewirkte der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) in 2010 einen parteiübergreifenden Mehrheitsbeschluss des Bundestages (der bis heute noch gilt) für den Abzug der letzten noch verbliebenen US-Atomwaffe aus Deutschland. Dieser verbindliche Verhandlungsauftrag für die Regierung wurde jedoch bis heute von keiner Regierung umgesetzt. Auch die DGAP rät der Regierung nicht dazu, im Gegenteil, sie suggeriert die Notwendigkeit einer komplett gegenteiligen Politik- und Militärstrategie.

In diesen Tagen verweigert sich Deutschland mit seiner Außenministerin sogar erneut der Verhandlung und Unterzeichnung des UN-Atomwaffenverbotsvertrages. Die sich gerade vollziehende radikale Veränderung der deutschen außen- und sicherheitspolitischen Militärstrategie mit der verstärkten Abschreckung (einschließlich atomarer Teilhabe Deutschlands im Rahmen der NATO-Strategie) ist eigentlich ein Verstoß gegen das Friedensgebot in der Präambel und im Artikel 1 (2) etc. des Grundgesetzes sowie gegen die gültige UNO-Charta. Danach haben alle Mitgliedsländer die gegenseitige Verpflichtung, Konflikte friedlich zu lösen und den Weltfrieden, die internationale Sicherheit und Gerechtigkeit zu fördern und zu sichern.

Verstoßen DGAP-Empfehlungen der Rüstungslobby gegen UNO-Charta und Grundgesetz?

Offenbar hat die einflussreiche DGAP im Hintergrund kein Problem mit der nuklearen Drohung und Kriegsgefahr in einer waffenstrotzenden Welt mit 13.000 Atomsprengköpfen und dem höchsten Rüstungsniveau in der Menschheitsgeschichte von 2,3 Billionen US-Dollar. Sie plädiert unverhohlen für wesentlich verstärkte Rüstungsproduktion und militärischen „Abschreckungsstrategien“ unter Ausblendung der enormen Risiken – mit großem Erfolg.

Die deutsche Militärdoktrin und die NATO-Strategie der Abschreckung – als Friedensstörende und kaum friedenssichernde Handlungen gemäß Art. 26 (1) GG – stehen den verfassungsmäßigen und völkerrechtlichen Erfordernissen entgegen. Denn „sie erweisen sich durch die Politik der Konfrontation, Gewaltdrohung und -anwendung durch die Hochrüstung in der auch ökologisch gefährdeten Welt als Zeitzünder an der Existenz der Menschheit auf dem zerbrechlichen Planeten Erde“, so drückt es der UNO-Diplomat Michael von Schulenburg auf der Friedendemo in Berlin am 25. November 2023 aus. Zum Artikel 25 des Grundgesetztes gehört hingegen (nebst dem Recht auf Selbstverteidigung bei Angriffen) auch das völkerrechtliche Gewaltverbot.

Verdrehte Sichtweise: Ist der Krieg oder der Frieden der Ernstfall?

Der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann hatte in seiner Antrittsrede nach seiner Vereidigung als Bundespräsident am 1. Juli 1969 eine uns alle verbindende wichtige Erkenntnis zum Ausdruck gebracht, die bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren hat: „Nicht der Krieg ist der Ernstfall, in dem der Mann sich zu bewähren habe, wie meine Generation in der kaiserlichen Zeit auf den Schulbänken unterwiesen wurde, sondern heute ist der Frieden der Ernstfall. Hinter dem Frieden gibt es keine Existenz mehr.“

Eine solche Denkweise ist der heutigen Politiker-Generation und ihren Beratern aus der Rüstungslobby abhanden gekommen, über die schon Helmut Schmidt seine Sorge zum Ausdruck brachte: Er befürchtete, dass die nicht zur Kriegsgeneration gehörenden Politiker, die selber Krieg nicht erlebt haben, sich leichtfertig auf Kriegsszenarien einlassen könnten – mit der militärischen Denkweise voriger Jahrhunderte (trotz Oxford- und Harvard-Studium, wie bei vielen DGAP-Experten, für die ein Amerika-Aufenthalt förderlich war).

Das Volk als Souverän wurde zur Neuausrichtung der Militärpolitik nicht gefragt

Nun ist die Befürchtung von Helmut Schmidt eingetreten: Die jetzige Politiker-Generation beherrscht nicht mehr die diplomatische Staatskunst. Sie hat Abrüstungs- und aktive Friedenspolitik statt waffenstrotzender „Abschreckungs- und Sicherheitspolitik“ nicht mehr auf dem Schirm und in ihrem Handlungsprogramm. Die Regierungsberater der DGAP als Rüstungslobbyisten haben ganze Arbeit geleistet, gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit, die deshalb einem „Mentalitätswandel“ unterzogen werden soll. Doch wollen das die betroffenen Menschen überhaupt?

Nach einer aktuellen Umfrage der Körber-Stiftung wollen 54% der Deutschen, dass sich ihr Land in internationalen Krisen zurückhält und somit keine weltpolitische oder militärische Führungsrolle einnimmt. Die 38%, die sich ein stärkeres Engagement wünschen, bestehen aber darauf, dass dies überwiegend diplomatisch und nicht militärisch oder finanziell sein soll. Die DGAP und die ihnen zugewandte Regierung wollen aber die militärische und geopolitische Rolle Deutschlands stärken und die damit verbundenen Risiken kleinreden oder ausblenden. Deshalb „Umerziehung“ zwecks Mentalitätswandel?

Das Volk als Souverän wurde allerdings zu der propagandistischen und militaristischen Kehrtwende der Ampelregierung vorher nicht befragt, die jedoch von den Leitmedien unterstützt wird. Denn deren Spitzenjournalisten gehören ebenfalls in großer Zahl der mit der DGAP auch personell und strategisch verflochtenen „Atlantik-Brücke“ an, die ebenfalls von Vertretern der Finanzwelt und Wirtschaft mitsamt Rüstungsunternehmen dominiert wird. So war der derzeitige Präsident der DGAP als ehemaliger Rüstungsmanager vorher eine Zeitlang Vorsitzender des einflussreichen Vereins und Netzwerks „Atlantik-Brücke“, deren Schwesterorganisation die „American Council on Germany“ ist, mit einem regen Personal- und Informationsaustausch.

Politiker sogar als Vorsitzende von wirtschaftnahen Lobbyorganisationen?

Weitere personelle Verflechtungen der DGAP gibt es unter anderem auch nachweislich mit der „Bertelsmann-Stiftung“ und der Brüsseler Denkfabrik „ Bruegel“ und weiteren „Think-Tanks“ wie „German Council on Foreign Relations“ – einer US-amerikanischen Denkfabrik mit Fokus auf außenpolitische Themen, gegründet auf Initiative des Bankiers Paul. M. Warburg, der auch Mitbegründer der „Atlantik-Brücke“ war (dazu an anderer Stelle mehr).
Als Alibi setzt man aber bevorzugt willfährige Politiker zumeist an die Spitze der mit der DGAP verbandelten „Atlantik-Brücke, wie z. B. aktuell den bereits erwähnten Ex-Wirtschafts- und Außenminister Sigmar Gabriel (heute unter anderem Aufsichtsratsvorsitzender von ThyssenKrupp, Aufsichtsrat beim Rüstungskonzern Siemens Energy und bei der Deutschen Bank und bestens vernetzt mit der Wirtschaftslobby), zuvor Friedrich Merz (bis 2020 Aufsichtsrat bei der weltgrößten Investmentgesellschaft Blackrock und Mitglied in einem Dutzend Aufsichtsräten) und aktuell CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen als Vize, der sich regelmäßig in Talkshows als Bellezist und Hardliner mit klaren Feindbildern profiliert.

Als weiterer Vize-Vorsitzender der „Atlantik-Brücke“ fungiert der ebenfalls in Talkshows stets präsente Prof. Dr. Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft und Mitglied im Europäischen Aufsichtsrat von Allianz Global Investors, bis 2017 auch im Beirat der deutschen Bank. Er ist sowohl Mitglied im Wirtschaftsforum der FDP als auch zugleich im Wirtschaftsrat der CDU (als wissenschaftlicher Beirat) und zudem im Kuratorium der neoliberalen Lobbyinitiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“ der Metall-Arbeitgeber, zu deren Zuständigkeit auch die Rüstungsunternehmen gehören.

Eine ehrenwerte Gesellschaft in den vernetzten Lobbyorganisationen?

16 Jahre lang führte übrigens der vorbestrafte CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep den Vorstand der mit der DGAP kooperierenden Atlantik-Brücke“ als Vorsitzender, der 1991 eine Millionenspende vom Waffenhändler Schreiber bzw. Rüstungskonzern Thyssen angenommen und nicht versteuert hatte und dafür strafrechtlich verurteilt wurde – aber dennoch ab 2004 „Ehrenvorsitzender“ der Atlantik-Brücke auf Lebenszeit blieb, bis zu seinem Tod in 2016. (Mit einer Kautionszahlung seiner Freunde aus der „Atlantik-Brücke“ wurde dem Waffenhändler Schreiber Haftverschonung ermöglicht). So werden Demokratie und Rechtsstaat beschädigt. „Die Idee der Demokratie war immer gedacht als ein Instrument gegen Elitenverkommenheit“, so drückt es der Psychologe Prof. Rainer Mausfeld aus.

Die „Atlantik-Brücke“ – eine ehrenwerte Gesellschaft? Ihr gehörte sogar der ehemalige Vorsitzende der rechtspopulistischen „Werteunion“, Max Otte an, der spätere Bundespräsidenten-kandidat der AfD. Gegründet wurde die „Atlantik-Brücke“ übrigens 1952 als eine Art „Club der Amerika-Freunde“ von den Bankern Eric M. Warburg und John Jay McCloy, vormals Weltbank-Präsident und im 2. Weltkrieg Staatssekretär im US-Kriegsministerium. (Näheres zur Gründungsgeschichte im Teil III diese Dossiers).

Das Auswärtige Amt unterstützt die Lobbyorganisationen finanziell aus Steuergeldern

Die Finanzierung der Lobbyorganisation DGAP wird – außer durch die hohen Mitgliedsbeiträge in dem Elite-Club – unter anderem getragen von Wirtschaftskonzernen und Banken wie Deutsche Bank und Warburg-Bank. Ebenso zur Finanzierung des Lobbyvereins „Atlantik-Brücke“ tragen seltsamerweise die Bundesbank und das Auswärtige Amt bei. Letzteres bezuschusst auch den Lobbyverein DGAP aus Steuergeldern. Davon wird auch die Nachwuchsförderung künftiger Führungskräfte im Rahmen des „Young Leader-Programms“ mit finanziert, womit zahlreiche deutsche Politiker aller Parteien ihren Karrieresprung nach ganz oben erreichten.

Dazu gehören auch CDU-Nachwuchspolitiker wie Jens Spahn. Dieser forderte schon im Februar 2017, also 5 Jahre vor dem Ukraine-Krieg, im BILD-Talk, „mehr Geld für Militär und weniger für Soziales“ auszugeben, ganz im Sinne der Lobbynetzwerke und nun der aktuellen Haushaltsbestrebungen. Der drastisch erhöhte Militärhaushalt hat längst absolute Priorität und rechtfertigt auch ein zusätzliches Sondervermögen in dreistelliger Milliardenhöhe. Damit haben sich die Fördergelder der Rüstungskonzerne in den Lobbyorganisationen bezahlt gemacht – und niemand erhebt den Vorwurf der Korruption. Der Ukraine-Krieg erscheint wie ein willkommener Vorwand oder Anlass, obwohl die Forderungen der Rüstungslobby schon viel weiter zurückliegen.

Politiker verschaffen den privaten Lobbyorganisationen wie DGAP ein teures Alibi

Bisher hat der „Bund der Steuerzahler“ noch nicht moniert, dass Lobbyvereine wie die DGAP und die Atlantik-Brücke oder private Veranstaltungen der Rüstungslobby – wie die „Münchener Sicherheitskonferenz“ (mit deutschen Verteidigungsministern in deren Stiftungsbeirat) – aus Steuergeldern offiziell gesponsert werden. Das mag daran liegen, dass durch die distanzlose Beteiligung zahlreicher hochkarätiger Politiker in all diesen Lobbygremien und -veranstaltungen diese einen offiziellen Anstrich als halbstaatliche Angelegenheit erhalten, was ihnen trotz prominenter Teilnehmerschar nicht zusteht. Damit verschaffen die gewählten Volksvertreter bzw. die lebenslänglichen „Berufspolitiker“ den privaten Lobbyorganisationen und sich selber ein teures Alibi. Nicht nur daran hat die DGAP strategisch mit Erfolg gearbeitet.

Die Steuerzahler unterstützen aber noch weiter einflussreiche Rüstungs-Lobbyorganisationen mit dem Segen der Politik, darunter die so genannte „Gesellschaft für Sicherheitspolitik“ (GSP) mit ihren über 7.000 Mitgliedern, die 1952 als „Gesellschaft für Wehrkunde“ (GfW) gegründet wurde und sich als „sicherheitspolitische Bildungsinstitution“ versteht. Sie erhält seit 1953 finanzielle Zuwendungen vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. 1999 durften dort sogar rechtsradikale Referenten auftreten. Gleichwohl wurde der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Hartmut Bagger, noch vor seiner Pensionierung Präsident dieser Lobbygesellschaft. Und die so genannte „Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik“ (DWT) mit rund 1.000 Mitgliedern, darunter etliche Politiker und Vertreter der Rüstungsindustrie (einschließlich ihres Dachverbandes BDSV), wurde sogar auf Initiative der Rüstungsabteilung des Bundesverteidigungsministeriums etabliert und wird von dort gefördert. Eigentlich ein Skandal, aber kein investigativer Journalist greift diese „heißen Eisen“ auf.

SPD-Politiker als oberster Rüstungslobbyist des Dachverbandes

Die enge personelle und institutionelle Verflechtung zwischen Politik und Rüstungsindustrie wird auch im Zusammenhang mit dem „Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ (BDSV) als Interessenvertretung von 220 Rüstungsunternehmen sichtbar: An deren Spitze stand längere Zeit als Geschäftsführer der Ex-Staatssekretär des SPD- Bundeswirtschaftministeriums unter SPD-Minister Clement, nämlich Georg Wilhelm Adamowitsch (früher auch Leiter der NRW-Staatskanzlei unter Ministerpräsident Clement). Clement selber gehörte als Kuratoriumsvorsitzender der neoliberalen Lobby-Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“ der Metall-Arbeitgeber an, zu deren Branche auch die Rüstungsunternehmen gehören.

Heute stehen an der Spitze des Rüstungs-Dachverbandes BDSV, der 2009 aus dem Bund der deutschen Industrie (BDI) heraus gegründet wurde, als Geschäftsführer Christoph Atzpodien und als Präsident Armin Papperger, seines Zeichens Vorstandsvorsitzender des Rüstungskonzerns Rheinmetall AG. Als Vizepräsident fungiert Ralf Ketzel vom Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann. Dieser Lobby-Dachverband der Rüstungsindustrie hat sogar offiziell das Mandat zur deutschen Interessenvertretung in der NATO Industrial Advisory Group (NIAG) und berät hier die NATO-Kommandobehörden und –Agenturen bei der Beschaffung militärischer Ausrüstungen. Der Verband der Rüstungslobby nimmt für sich in Anspruch, „einen wichtigen Beitrag zur Fähigkeitsentwicklung der NATO“ geleistet zu haben.

Lobbyismus Studie: Der Rüstungslobby wird es in Deutschland zu leicht gemacht

Im Oktober 2020 veröffentlichte der Stern eine Studie der Antikorruptionsorganisation „Transparency International“, wonach es Rüstungsunternehmen zu leicht gemacht wird, die deutsche Politik zu beeinflussen. Angesichts der hohen Summen, um die es bei der Beschaffung von Waffensystemen gehe, sei das besonders besorgniserregend, sagte der Transparency-Verteidigungsexperte Peter Conze: „Bei aller Berechtigung von Geheimhaltung in diesem Politikbereich muss die größtmögliche Transparenz hergestellt werden, um die Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit sicherzustellen.“

Die Studie verweist auf den vergleichsweise häufigen Wechsel ehemaliger Bediensteter des Verteidigungsministeriums in die Industrie und auf die geringe Transparenz der deutschen Parteienfinanzierung, die trotz wiederholter Kritik eines Europarats-Gremiums bis heute nicht reformiert wurde. So können zum Beispiel Abgeordnete Spenden eines Unternehmens bis zu einer Höhe von 10.000 Euro annehmen, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Der Bundestagspräsident veröffentlicht nur Parteispenden, die 50.000 € übersteigen.

Rüstungslobby verhilft nützlichen Politikern zu Geld und zur Wiederwahl

Die Studie erwähnt auch eine wenig bekannte Veranstaltungsreihe namens „Celler Trialog“. Unter diesem Namen lud der CDU-Abgeordnete und Verteidigungsexperte Henning Otte von 2013 bis 2016 regelmäßig – zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik – Vertreter der Bundeswehr, der Rüstungsindustrie und der Politik zu einer zweitägigen Veranstaltung in seinen Wahlkreis nach Celle in die Lüneburger Heide. Bei einem geselligen „Heidjerausklang“ in einem örtlichen Wirtshaus konnten sich Lobbyisten und Politiker abends näher kommen – dank Zuschüssen aus der Industrie – darunter wieder Airbus sowie der Rheinmetall-Konzern, der nahe Celle in Unterlüß seine größte Produktionsstätte für Rüstungstechnik unterhält.

Die Zuwendungen der Industrie hätten somit wohl zu Ottes Wiederwahl beigetragen, heißt es in der Studie der Antikorruptionsorganisation. In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick in das Wirken weiterer Lobbyorganisationen der Rüstungsindustrie wie z.B. „Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik“ (DWT) und „Förderkreis Deutsches Heer“ (FKH) sowie die „Deutsch-Atlantischen Gesellschaft“(DAG) mit Einbindung von Politikern.

Wie die DGAP politische Mitstreiter als „nützliche Idioten“ gewinnt

Der DGAP wie auch der „Atlantik-Brücke“ und anderen „Think Tanks“ gelingt es also immer wieder, einflussreiche Politiker und andere Persönlichkeiten für Ihre Netzwerke (teils als „nützliche Idioten“ oder „Aushängeschild“) zu gewinnen oder sogar mit eigenen Nachwuchs-Förderprogrammen dafür heranzubilden und hilfreiche Unterstützer und Verbindungsleute dauerhaft „auf Linie zu halten“. Das ist wesentlicher Teil ihrer Strategie, um auf allen politischen Ebenen Einfluss zu gewinnen und zu behalten und öffentlich nicht als reines Lobbynetzwerk selber in Erscheinung zu treten. Allzu viele Politiker fühlen sich in ihrer narzistischen Eitelkeit geehrt, in den Elite-Netzwerken dabei zu sein, wie die vorherigen Abschnitte offenbarten.

Vor der militärpolitischen „Zeitenwende“ – als die Demokratie noch funktionierte und die Medien ihre kritische staatsferne Rolle ausfüllten – hätte man diese unerträgliche Nähe zwischen Politik, Wirtschaft und Rüstungsindustrie wohl als bedenklichen „politischen Filz“ gebrandmarkt und einen hörbaren Aufschrei in der Bevölkerung erzeugt. Heute wird das wohl als normaler Zustand unserer (damit gefährdeten) Demokratie achselzuckend oder resigniert in Kauf genommen. Politik (ohne wirkliche Kontrolle) gilt halt als „schmutziges Geschäft“.

Mahnung der EU: Deutschland tut zu wenig gegen Korruption

Heute gibt es nicht einmal eine verhaltene öffentliche Debatte darüber, weil die Bevölkerung sich an den „Klüngel“ gewöhnt hat und Deutschland beim Korruptionsindex einen Punkt verloren hat Auch hat der Bundestag lange gezögert und abgeblockt, ein wirksames Lobbyregister einzuführen, das es jetzt endlich auf zivilgesellschaftlichen Druck von „Lobbycontrol“und anderen in Ansätzen gibt. Nachdem Deutschland von 14 Empfehlungen des Antikorruptionsgremiums der EU nur eine bislang vollständig umgesetzt hat, muss die Bundesregierung deutlich mehr tun, so wurde im März 2023 zum wiederholten Male von der EU und der Zivilgesellschaft angemahnt.
Siehe hierzu auch Artikel im Lokalkompass unter: https://www.lokalkompass.de/haltern/c-politik/warum-verweigert-deutschland-wirksame-massnahmen-gegen-korruption_a1847620

Offensichtlich ist es den Lobbynetzwerken mit den involvierten Politikern ziemlich egal, dass ihretwegen das Vertrauen in die Politik und in die Parteien in den letzten Jahren immer weiter abgenommen hat, wie aktuelle Umfragen belegen. Wenn demnach fast ein Drittel der Deutschen eher glauben, in einer Scheindemokratie zu leben, in der sie nichts zu sagen haben, spricht das eine deutliche Sprache. Drei von vier Bundesbürgern wünschen sich mehr Transparenz beim Lobbyismus, so ergab eine repräsentative Emnid-Umfrage schon in 2015. Alle Lobbyisten sollten ihre Aufraggeber, ihr Budget und die Ziele ihrer Lobbyarbeit öffentlich machen müssen. Obwohl es inzwischen ein deutlich verbessertes Lobbyregister gibt, hat es dem Bewegungsspielraum insbesondere der Rüstungslobby kaum geschadet.

Lobbynetzwerke mitschuldig am drohenden Rechtsruck?

Eine repräsentative Umfrage von Februar 2023 hat ergeben, dass – einhergehend mit der Kriegsangst infolge des Ukraine-Krieges – zwar die Akzeptanz für die Lieferung von militärischer Ausrüstung gestiegen ist, aber über 53% weiterhin der Meinung sind, militärische Ausrüstung entweder gar nicht zu liefern oder auf bloße Verteidigungswaffen zu beschränken. Nur eine Minderheit befürwortet die Lieferung auch von Kampfpanzern, Kampfflugzeugen oder Raketen. (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung).

Eigentlich wollen die Menschen in der Zivilgesellschaft mehrheitlich eine friedenspolitische Sicherheitsarchitektur in Deutschland, doch die zunehmende Militarisierung des Denkens und Handelns, befeuert durch die Propaganda der „Zeitenwende“, beschleunigt den längst eingesetzten politischen Rechtsruck bis hin zur Akzeptanz von Autokratien (mit Einschränkung der parlamentarischen Kontrolle) bei einem Drittel der Befragten. Dies ist auch auf die veränderte Debattenkultur zurückzuführen. Ist das nicht auch eine Verdienst der Rüstungslobbyisten und der ihnen hörigen Politiker und Journalisten, die dann im nächsten Jahr der Europawahl wahrscheinlich „Krokodilstränen“ darüber vergießen, aber „ihre Hände in Unschuld waschen“?

Eine illustre Gesellschaft in einträglicher Verbundenheit als „Karriere-Brücke“

Übrigens findet man unter den Mitgliedern der „Atlantik-Brücke“ – die laut Lobbypedia jährlich ein Expertengespräch mit dem Oberkommando der US-Armee führt – auch den Grünen-Vorsitzenden Omnid Nouripour sogar als Vorstandsmitglied der „Atlantik-Brücke“ – und demgemäß Dauergast in den Talkshows der Medien. Zu seinen Vorstandskollegen gehörte bislang neben vielen Wirtschaftsvertretern unter anderen auch der ehemalige BILD-Chef Kai Diekmann, der ehemalige DGB-Chef Reiner Hoffmann und natürlich Wolfgang Ischinger als langjähriger Vorsitzender der privaten „Münchener Sicherheitskonferenz“ sowie etliche Vertreter von Konzernen und der Finanzwirtschaft, um an dieser Stelle nur einige wenige aus der illustren Runde zu erwähnen.

Die Berufung in den erlauchten Kreis ist also für gewisse Politiker offenbar keine Schande, denn sogar fast alle früheren Kanzler waren als zugehörige Mitglieder dort einstmals vertreten. Und viele heutige Spitzenpolitiker haben sich durch die „Young- Leader-Programme“ der Lobbyorganisation als einstige Nachwuchspolitiker in politische Spitzenämter heben lassen, was ohne Zugehörigkeit zu den Karriere fördernden Lobbyisten-Vereinen wohl ungleich schwieriger ist. Anschließend wollen sie die Erwartungen ihrer Förder nicht enttäuschen und mögen die Netzwerke auch nicht verlassen.

Strategische Kooperation der DGAP mit der Münchener „Sicherheitskonferenz““

Eine strategische Kooperation der „Atlantik-Brücke“ und der DGAP gibt es auch mit der so genannten „Münchener Sicherheitskonferenz“, der einstigen „Wehrkundetagung“ – die sich ebenfalls den transatlantischen Zielen verpflichtet hat und die sowohl von der Rüstungsindustrie als auch von der Bundesregierung finanziell gesponsert wird. Dort trifft man in der Teilnehmerliste wieder auf viele Namen von Personen, die über die Elite-Programme gefördert wurden und zugleich auch in der Lobbyorganisation GDAP oder in der Partnerorganisation „Atlantik-Brücke“ vertreten sind.

Der langjährige Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz und Vorsitzender des Stiftungsrates, Wolfgang Ischinger – nebenher laut Spiegel Aufsichtsrat und Aktionär des Rüstungskonzerns Hensoldt, der bei der Anbahnung von Rüstungsgeschäften mit Politikern behilflich ist – war zuvor Absolvent des „Young-Leader-Programms“ beim „American Council on Germany“. Dies ist wiederum mit der privaten US-amerikanischen Denkfabrik „Council on Foreign Relations“ sowie der deutschen „Atlantik-Brücke“ verbunden, in deren Vorstand und Stiftung neben Politikern vor allem Wirtschaftsführer und Banker vertreten sind.
Siehe zur „Atlantik-Brücke“ und zur „Münchner Sicherheitskonferenz“ auch Artikel: https://www.iwipo.eu/allgemein/wilhelm-neurohr-die-58-muenchener-sicherheitskonferenz-erneut-im-dienste-der-ruestungslobby/

„Unabhängige“ Medienvertreter als Mitglieder in Lobbyorganisationen

Für die der DGAP sehr verbundene Lobbyorganisation „Atlantik-Brücke“ werfen oder warfen übrigens auch bis zu 90 namhafte Moderatoren und Spitzenjournalisten der öffentlich-rechtlichen Medien sowie der gesamten namhaften Print-Medien (einschl. Bild-Zeitung und übrige Springer-Presse) ihren journalistischen Ethos über den Haufen. Denn als angeblich „wirtschafts- und staatsferne“ Journalisten tummeln sie sich als Mitglieder in der vertraulichen „Atlantik-Brücke“, zusammen mit der wirtschaftlichen und politischen Elite. Darunter auch die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, Tina Hassel, und lange Jahre auch der bestbezahlte ZDF-Moderator Claus Kleber – der sogar als Kuratoriumsmitglied der Stiftung Atlantikbrücke in einer Talkshow bei Maigritt Illner, zusammen mit SPD-Politiker und Lobbyist Sigmar Gabriel, die Atlantik-Brücke als „ehrenwerte Einrichtung“ gegen so genannte „Verschwörungstheoretiker“ öffentlich mit Nachdruck verteidigte).

Dort sitzen die zahlreichen Medienvertreter – derzeit um die 40 – einträglich mit 500 „führenden Persönlichkeiten“ aus Bank- und Finanzwesen, Wirtschaft, Wissenschaft und Militär einschließlich Rüstungsindustrie vertraulich zusammen – und zugleich mit einer dreistelligen Zahl an hochrangigen Politikern aller Coleur. Ob sie damit ihre „unabhängige“ Rolle als „vierte Gewalt im Staate“ bei der „Kontrolle der Mächtigen und Regierenden“ als Vertreter der „freien Presse“ glaubhafter wahrnehmen können? Deren vertrauliche Einbindung in die Lobbynetzwerke lässt an der Unabhängigkeit und nötigen Distanz der Medienberichterstattung und deren Ausgewogenheit zweifeln. Deren sehr einseitige Beichterstattung und Kommentierung in außen- und sicherheitspolitischen Fragen und bei der propagandistischen Kriegsberichterstattung lehnt sich offensichtlich an die DGAP-Sichtweisen an, deren „Experten“ dann auch dort in den Medien regelmäßig zu Wort kommen, ohne ihre Lobbyfunktion zu verraten.

Bestimmen die in den Lobbynetzwerken eingebundenen Journalisten den Diskurs?

Für die DGAP ist sogar mit Martin Bialecki ein führender Journalist und Politikchef der einflussreichen und „strikt überparteilichen“ Presseagentur dpa – die für 170 Medien als Gesellschafter tätig ist – nach Seitenwechsel nunmehr als Chefredakteur der Publikationsorgane des Lobbyvereins DGAP tätig. (Er war zuvor auch Mitglied der „White House Correspondents Association“, nahm an Podien der Harvard Law School teil und begleitete Barrack Obama in den USA. (Näheres zur Person im Teil III). Über die zunehmende Kritik an der Medienlandschaft und der großen Journalistenschar, die mit den selbst ernannten Eliten vertrauensvoll und distanzlos zusammenwirkt (und deren Vertreter bevorzugt zu Talkshows und Interviews einlädt) , darf sich also niemand wundern und beklagen.

Vor allem für die Rüstungslobbyisten ist das der größte Gewinn, wie sich an der geradezu propagandistischen Berichterstattung in den Medien anlässlich der aktuellen Kriege fast täglich zeigt. Dafür überlassen die Rüstungskonzerne den Medien bereitwillig werbewirksame Fotos und Videos von ihren neusten Kampfpanzern, Hubschraubern, Drohnen und Flugzeugen. Und Politiker als militärische Laien mutieren damit zu „Waffenexperten“, derweil lästige Kritiker oder gar Pazifisten aus den Talkshows verbannt werden, die undifferenziert als „Russlandfreundlich“ aussortiert werden, wie sogar der ehemalige Generalinspektuer der Bundeswehr und Regierungsberater General a.D. Harald Kujat, der sogar an höchster Stelle bei der NATO eingebunden war. Seitdem ist das Niveau der politischen Diskurse auf deutsches Vorkriegsniveau abgesunken, mit militärischem „Freund-Feind-Denken“ oder verordnetem „Schwarz-weiß-Denken“ ohne zulässige Grautöne.
Siehe hierzu auch Artikel im Lokalkompass unter: https://www.lokalkompass.de/dortmund/c-politik/wie-ueberbezahlte-elite-journalisten-von-ard-und-zdf-ihre-glaubwuerdigkeit-und-unabhaengigkeit-aufs-spiel-setzen_a1844632

Ist die DGAP eine regierungsamtliche oder neutrale wissenschaftliche Institution?

Zurück zur DGAP: Wer sind hier die einflussreichen „Berater“ der Regierung , die auch in den öffentlich-rechtlichen Sendern als „unabhängige Experten“ für außen- und sicherheitspolitische Fragen stets zu Interviews oder Talkshows geladen werden, als wäre die DGAP eine regierungsamtliche oder neutrale wissenschaftliche Institution und keine Lobbyorganisation? Tatsächlich wird dieser zentrale außenpolitische „Think Tank“ unter anderem aus Mitteln des Auswärtigen Amtes sowie der Industrie gemeinsam finanziert, ähnlich wie bei der „Atlantik-Brücke“. Er hat seit Jahrzehnten eine Vielzahl prominenter Politikern in sein Vereinspräsidium eingebunden, wie zuvor hier aufgezeigt, zusammen mit einflussreichen Bankern und Konzernvertretern der Wirtschaft und Rüstungsindustrie, ohne Berührungsängste oder notwendige Distanz zwischen Politik und Wirtschaft. Das lässt aufhorchen.

Übrigens gehörte der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus, dessen langjähriger Konzernchef heute den Vorsitz der DGAP als deren einflussreicher Präsident innehat, jahrelang zu den größten Sponsoren der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)“. Mit Zuwendungen von jährlich jeweils 100.000 Euro oder mehr gehörte Airbus von 2013 bis 2016 jeweils zu den fünf bis sieben größten Förderern des renommierten Think Tanks, neben dem Auswärtigen Amt sowie der Dr. Arend Oetker Holding und der Robert Bosch Stiftung. Ist die DGAP also dennoch eine regierungsamtliche oder neutrale wissenschaftliche Institution, wie sie in Medien und Politik immer gerne dargestellt wird?

„Mentalitäts- und Zeitenwende“ maßgeblich von der DGASP mitgeprägt und vorbereitet

Die Weichenstellung für eine neue deutsche Sicherheits- und Außenpolitik im Rahmen der so genannten „Zeitenwende“ und des „Mentalitätswandels“ hin zur „Kriegstüchtigkeit“ wurde von der DGAP also maßgeblich mit beeinflusst, wie hier aufgezeigt. Aber in Wirklichkeit war diese schon von langer Hand mit ihren Netzwerken und Kooperationspartnern argumentativ vorbereitet. Denn schon Jahre vor dem Ukraine-Krieg forderte die DGAP z. B. „Mehr Sicherheit durch Waffenhandel und Aufrüstung“ 2019 in ihren Publikationen von der Bundesregierung höhere Verteidigungsausgaben, „weil Deutschlands Sparkurs die NATO gefährde“.

Und bereits 2018 hieß es: „Die NATO braucht mehr deutsches Engagement“, oder 2016: „Bündnissolidarität ist Teil deutscher Staatsräson“. Deren „Ratschlägen“ folgend, hatte am 27. Februar 2022 – nur wenige Tage nach der russischen Invasion in der Ukraine – Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung demgemäß eine radikale Neuausrichtung der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik angekündigt und die viel gelobte „Zeitenwende“ ausgerufen, die in den Regierungs- und Wahlprogrammen nicht vorkam. Heute heißt die marschrichtung: „Mehr Sicherheit durch Waffenhandel und Aufrüstung“.

DGAP holt mit politischer Hilfe die Rüstungsindustrie aus der „Schmuddel-Ecke“

Widerspruchlos erfolgte daraufhin das Bereitstellen von Haushaltsmitteln und „Sondervermögen“ in dreistelliger Milliardenhöhe für Militär und Rüstung plus Aufstockung des Verteidigungsetats wie nie zuvor in den fast 80 Jahren seit Kriegsende – mit der Folge schneller Gewinnsteigerungen bei den deutschen Rüstungskonzernen, bis hin zur aktuellen Verdoppelung des Umsatzes beim Marktführer Rheinmetall. Zugleich wurden die Rüstungskonzerne aus ihrer früheren „Schmuddel-Ecke“ geholt und als angesehene „Retter in der Not“ geradezu verherrlicht und umworben. Agnes Strack Zimmermann und andere Verteidigungspolitiker erklärten in Interviews, dass der Austausch zwischen Politikern, Militärs und Rüstungsindustrie in diversen Gremien und Vereinen „nicht verwerflich“ sei, weil das zu ihrer politischen Aufgabe gehöre und dort ja keine Waffengeschäfte angebahnt würden.

Das Zusammenwirken von Regierung und Rüstungsindustrie ist inzwischen so eng wie nie zuvor und wird als unverzichtbar erklärt. Mit der absurden Ideologie von „Frieden schaffen mit immer mehr Waffen“ geht es nur noch um „Wehrtauglichkeit und Kriegsfähigkeit“ sowie „Abschreckung“ wie im „Kalten Krieg“, ja, um „Ertüchtigung für den heißen Krieg“ mit neuen Feindbildern statt um diplomatische Abrüstungsbemühungen oder Friedensverhandlungen. Selten zuvor haben Lobbynetzwerke unter dem Beifall der Medien so erfolgreich auf die Politik eingewirkt. Die neue „Marschrichtung“ scheint mit Verweis auf die Weltlage unumkehrbar. Die Lobbyisten haben über die politische Vernunft gesiegt.

Militarisierung der deutschen Politik und Gesellschaft?

Parallel erfolgte eine Militarisierung der deutschen Politik schon viele Jahre, schon während der Ära der Verteidigungsministerinnen Ursula von der Leyen, Annegeret Kamp-Karrenbauer und Christine Lambrecht und verstärkt unter Boris Pistorius – mit feierlichen öffentlichen Gelöbnissen der Rekruten, mit der Wiedereinführung von Orden, dem Werben der Bundeswehr in den Schulen bei Minderjährigen für das Soldatentum und jüngst mit der geforderten Einführung eines „Veteranentages“. Auch wurde Marschmusik vom ausverkauften Bundeswehrfest oder Militärmusik-Festival der Bundeswehr im Fernsehen übertragen, mit hohen Einschaltquoten.

Und natürlich war der Gipfel der Militarisierung die drastische Erhöhung des Rüstungsetats auch zur besseren Waffenausstattung der Bundeswehr sowie mit wieder gelockerten und deutlich steigenden Waffenexporten „Made in Germany“, zunehmend auch wieder in Kriegs- und Krisengebiete. Deutschland ist auf Rekordkurs bei den Rüstungsexporten mit genehmigten Ausfuhren im Wert von 8,8 Mrd. € (von Januar bis September 2023) und steht an fünfter Stelle der größten Rüstungsexporteure weltweit. Die gesteigerte Leistungsfähigkeit der deutschen Rüstungsindustrie und die weltweit gefragte Qualität ihrer Waffensysteme ruft geradezu Stolz hervor, ähnlich wie vor dem ersten und zweiten Weltkrieg?

Weichenstellung für eine neue deutsche Außenpolitik ohne DGAP undenkbar?

Am 27. Februar 2022, nur wenige Tage nach der russischen Invasion in der Ukraine, konnte Bundeskanzler Olaf Scholz in diesem vorbereiteten politischen Klima in seiner Regierungserklärung die radikale Neuausrichtung der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik im Bundestag unter großem Beifall ankündigen – im Rahmen der sogenannten „Zeitenwende“. Im Jahr darauf wurde er im März 2023 zu einem weiteren Vier-Augen-Gespräch beim amerikanischen Präsidenten kurzfristig einbestellt. Die Presse sprach vom „geheimsten Treffen seiner Kanzlerschaft“. Was aber bedeutet diese „Zeitenwende“ konkret, besonders vor dem Hintergrund eines noch andauernden Krieges mit ungewissem Ausgang? „Bereits umgesetzte sowie anvisierte Maßnahmen demonstrieren eine beachtliche Kehrtwende in der Verteidigungs-, Wirtschafts- und Energiepolitik“ bemerkte die DGAP anerkennend. „Dennoch mangelt es zurzeit noch an einer übergreifenden Strategie mit klaren Zielen und konkreten Lösungsansätzen“ meinte sie aber. In diese Lücke versucht die DGAP nun erfolgreich einzudringen mit Ihren vorgeschlagenen Handlungsstrategien.

Für die DGAP ergibt sich dadurch erklärtermaßen „eine besondere Gelegenheit, ihrem Auftrag getreu, die Außenpolitik Deutschlands aktiv mitzugestalten. Ziel ist es, einen Anstoß zu einer notwendigen Diskussion über die Grundzüge einer neuen euro-atlantischen Sicherheitsordnung, jenseits tagespolitischer Entwicklungen, zu geben: Deutschland und Europa müssen eine Vision einer neuen Ordnung gemeinsam entwickeln.“ Weiter heißt es zu einem entsprechenden Dossier der DGAP: „Dieses Dossier bündelt die große Bandbreite der DGAP-Expertise, um politischen Verantwortlichen mithilfe fundierter Analysen, Einschätzungen und Debatten bei der strategischen Umsetzung der „Zeitenwende“ zur Seite zu stehen. Dabei gilt es, ebenso Denkanstöße für eine einheitliche europäische Sicherheitsordnung zu bieten.“ Denn: „Der Erfolg deutscher Zeitenwende-Politik wird sich daran messen lassen müssen, wie selbstbestimmt Europa seine eigene Sicherheit in den nächsten Jahren gestalten kann.“

Die DGAP-Ideologie zur „Deutschen und Europäischen Zeitenwende“

Zugleich verweist die DGAP auf ihren Podcast: „In unserem neuen Podcast BerlinsideOut untersuchen Ben Tallis und Aaron Gush Burnett, wie sich die deutsche „Zeitenwende“ entwickelt und wie sie im In- und Ausland wahrgenommen wird. Abonnieren Sie den Podcast hier: dgap.org/en/BerlinsideOut .“ Darin heißt es: „Die erforderlichen strategischen, kulturellen und institutionellen Veränderungen erfordern kostspielige Kompromisse in Bezug auf öffentliche Ausgaben und politisches Kapital zur Verabschiedung schwieriger Reformen.“ Letztlich geht es der DGAP um die Priorisierung des Militärhaushaltes und die dementsprechende Neuausrichtung der gesamten Politik.

Denn weiter heißt es dort: „Für Deutschland wird die Zeitenwende in der Außen- und Sicherheitspolitik tiefgreifende Veränderungen erfordern, die über die Erhöhung des Verteidigungshaushalts und die Modernisierung der Bundeswehr hinausgehen. Die Herausforderung sowohl für die politische Führung als auch für die breite Öffentlichkeit wird darin bestehen, von reaktiven zu proaktiven und strategischen Ansätzen zur Bewältigung der Krisen und geopolitischen Veränderungen überzugehen, die derzeit die europäische und globale Ordnung verändern.“ (Als „breite Öffentlichkeit“ nehmen wir staunend zur Kenntnis, wie hier die dementsprechend stattfindende Umsteuerung der deutschen Innen- und Außenpolitik von einem Lobbyverein vorgegeben wird, und zwar ohne öffentlichen Diskurs – weil damit „die Bevölkerung überfordert“ wäre? (Ist das zugleich der Wandel von der einstigen „Mitmach-Demokratie“ zur „ zur Eliten-Demokratie? Dann sind wir von einer Autokratie nicht mehr weit entfernt).

Schreibt die DGAP das außenpolitische Drehbuch für die Bundesregierung?

In Ihrem v. g. „Drehbuch“ zeigt die DGAP für die Bundesregierung die sich daraus ergebenden Herausforderungen auf, denen sie sich nun zu stellen habe – und die auch prompt danach risikofreudig handelt: „Dies birgt echte politische Risiken für jede deutsche Regierung. Die strategischen, kulturellen und institutionellen Veränderungen bringen kostspielige Kompromisse in Bezug auf öffentliche Ausgaben und politisches Kapital zur Verabschiedung schwieriger Reformen mit sich. Die politischen Entscheidungsträger werden weiterhin der Versuchung verspüren, minimale politische Änderungen vorzunehmen und zu den bequemeren Prinzipien der den Status quo anstrebenden Merkel-Ära zurückzukehren.“

Und weiter: „Dies kann selbst im Kontext einer fragilen Koalition schwieriger werden, da interne Meinungsverschiedenheiten und unterschiedliche Wahlinteressen einer ehrgeizigen Agenda-Setzung im Wege stehen. Doch dieser Moment ist auch eine Gelegenheit, die unhaltbare Spannung zwischen Deutschlands „Quellen des Wohlstands“ und „Quellen der Sicherheit“ abzubauen. Die Suche nach einer neuen Kohärenz zwischen dem Wirtschafts- und Industriemodell des Landes und seinen geopolitischen Interessen wird Deutschland letztendlich stärker machen in Europa und in der Welt.“ Ist das ein versteckter Hinweis auf notwendigen Wohlstandsverzicht zugunsten des zu priorisierenden Militärhaushaltes und Rüstungsetats zu Lasten der sozialen Ausgaben? Und eine Andeutung über die anzustrebende geopolitische Rolle Deutschlands in der Welt?

Die ideologische Vorarbeit leisteten Bertelsmann und der „German Marshall-Fund“

Diese strategische Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik war übrigens schon Jahre vor dem Ukraine-Krieg, als noch keine russische Aggression erkennbar war, von Rüstungslobbyisten und ihnen hörigen Politikern eingefordert worden. So auch wiederholt auf den privaten Münchener „Sicherheitskonferenzen“, die von der Rüstungsindustrie und der Bundesregierung mit gesponsert werden. Nacheinander unterstützten in ihren dortigen Reden die Bundespräsidenten Köhler bereits 2005, dann 2014 Bundespräsident Gauck und 2020 Bundespräsident Steinmeier (vorher schon in 2014 als Außenminister) sowie die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in 2014 (und danach als EU-Kommissionspräsidentin in 2022) und ihre Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer in 2020 die veränderte Militärpolitik – mit einer stärkeren politischen und militärischen Rolle Deutschlands in der Welt sowie mit eigenen Militärfähigkeiten und -ausstattungen des Friedensnobelpreisträgers EU zusätzlich und parallel zur NATO.

Der Ukraine-Krieg und das neu erfundene „Feindbild China“ boten nunmehr einen willkommenen Anlass und Vorwand, dieser lange vorgeplanten Strategie mit Hilfe der DGAP endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Zuvor war schon im Jahr 2004 in einer richtungsweisenden Bertelsmann-Studie für die EU – auf die sich die meisten Politiker fortan beriefen -die neue geopolitische und militärisch-strategischen Ausrichtung („European Defence Strategy“ EDS) entwickelt worden, zusammen mit dem „German Marshall Fund (einer US-amerikanischen Denkfabrik als Stiftung, die aber transatlantisch von der deutschen, der amerikanischen und EU-Regierungen gemeinsam finanziert wird). Der derzeitige stellvertretende Direktor des DGAP-Forschungsinstitutes, Dr. Christian Mölling, arbeitete zuvor für den „German Marshall Fund oft he United States“. (Dazu an anderer Stelle Näheres).

Sicherung von Rohstoffen und Handelswegen – legitime Wirtschafskriege?

Auch die „Sicherung von Rohstoffen und Handelswegen“ und sonstige wirtschaftliche und geopolitische Interessen sollten gemäß Bertelsmann-Studie für die EU fortan weltweite Militäreinsätze quasi als Wirtschaftskriege rechtfertigen und nicht nur humanitäre Auslandseinsätze. (Als der damalige Bundespräsident Horst Köhler das damals offen aussprach, führte das nach öffentlicher Empörung zu seinem Rücktritt). Inzwischen hat diese geopolitisch-militärische Denkweise offiziell Einzug gehalten in die Politik von Deutschland und Europa. Die Militärdoktrin dazu liefert mit Nachdruck die NATO, das Vordenken erledigt die DGAP mit ihren Kooperationspartnern.

Dass mit dem Ukraine-Krieg zugleich die Fragen der Energie- und Gasversorgung virulent wurden und sich zum wirtschaftlichen Existenzproblem Deutschlands sowie zum geopolitischen Gesamtproblem ausweiteten, führt zu allerlei strategischen Neujustierungen in der Außen- und Sicherheitspolitik, die auch die DGAP in den Fokus genommen hat. Allerdings braucht man dazu in der Exekutive die verlässlichen Personen an den Schaltstellen z.B. in den Verteidigungs- und Außenministerien zur Umsetzung. So hatte Außenministerin Baerbock ihre Haltung zur bedingungslosen militärischen Unterstützung der Ukraine im September 2022 sogar mit den Worten verteidigt: „Egal, was meine Wähler denken….“. Die Belange der deutschen Bevölkerung wurden von ihr negiert.

Förderung von Nachwuchspolitikern wie Annalena Baerbock

Über den „German Marshall Fund“ – einer US-amerikanischen Stiftung und Denkfabrik zur Förderung transatlantischer Beziehungen mit Finanzierung auch durch EU-Regierungen – sind übrigens neben vielen anderen auch Nachwuchspolitiker wie Annalena Baerbock und Cem Özdemir (Grüne) sowie Niels Annen (ehemaliger SPD-Staatsminister im Auswärtigen Amt) und MdB Johannes Kahrs (vom rechten SPD-Flügel) gefördert worden. In dessen Wahlkreis gingen 2005 im Bundestagswahlkampf 60.000 € Parteispenden von den Rüstungskonzernen Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann ein. (Im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal der Hamburger Warburg-Bank ermittelte der Staatsanwalt gegen den Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Kahrs wegen Steuerhinterziehung).

Der 1990 gestorbene und bereits erwähnte Banker Eric M. Warburg aus einer angesehenen Hamburger Bankenfamilie war Mitbegründer der Atlantik-Brücke und des „American Council on Germany“ und hatte zuvor eine New Yorker Investmentbank gegründet. (Kritiker argwöhnen: Soll deshalb der Name der angesehenen Warburg-Bank und der alteingesessenen Bankiers-Familie im Cum-Ex-Skandal nicht beschädigt werden – und laufen deshalb die Ermittlungen nur mit Hindernissen, beiseite geschafften Datenträgern und Erinnerungslücken durch beteiligte Politiker?)

Aufwertung von Baerbock auch durch Kaderschmiede des Weltwirtschaftsforums

Die heutige Außenministerin Annalena Baerbock gehörte auch zu dem „Young Global Leaders Forum“ des Unternehmers Klaus Schwab, dem einflussreichen Veranstalter des jährlichen privaten „Weltwirtschaftsforums“ (WEF) der unternehmerischen „Weltmarktführer“ zusammen mit Spitzenpolitiken etc. Seine rechte Hand als Geschäftsführer wurde der Ex-Wirtschaftsminister Philip Rösler (FDP). Die angeblich „unabhängige Nicht-Regierungs-Organisation Young Global Leaders“ als eine der einflussreichsten NGOs weltweit, die sich als „Kaderschmiede und Schule der Eliten“ versteht, bringt ihre 1.400 Mitglieder zusammen, um die „potenzielle Elite der Zukunft zu fördern“.

So erklärt sich der Aufstieg Baerbocks in die Rolle der deutschen Bundesaußenmisterin und ihre dortige Unterstützung der militärpolitischen Zeitenwende, wenngleich viele an ihren diplomatischen (und intellektuellen) Fähigkeiten und ihrem strammen außenpolitischen Kurs zunehmend zweifeln. Die Öffentlichkeit erfährt nicht, was dort in der Kaderschmiede intern besprochen wird. Eine kritische Nachfrage von „abgeordnetenwatch“ vor der Bundestagswahl zu Baerbocks Teilnahme an den hochrangigen Gesprächsrunden bei den „Global Players des Big Business“ wurde von ihrem Wahlkampfteam ausweichend bis nichtssagend beantwortet.

Auch andere deutsche Politiker durchliefen die Kaderschmiede der Global Players

Nebst Baerbock waren zurückliegend auch Hubertus Heil (SPD), Cem Özdemir (Grüne) und Thomas de Maiziére und Jens Spahn (CDU) sowie Wolfgang Kubicki, Guido Westerwelle und Sabine Leutheusser (FDP) früher ebenfalls geförderte Teilnehmer der nicht öffentlichen Forumstreffen. Nicht zu vergessen die späteren Regierungschefs Angela Merkel, Nikolas Sarkozy, Emmanuell Macron, Tony Blair, Gordon Brown, Victor Orban und José Marie Aznareo, Larry Summer, ferner der spätere EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Aber auch die deutsche TV-Moderatorin Sandra Maischberger oder der spätere Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gehörten dazu und manche andere.

Neben Politikern wurden auch Presseleute wie der heutige Vorstandsvorsitzende des Springer-Verlages, Mathias Döpfner gefördert und dort ausgebildet, vor allem aber Top-Manager, Milliardäre und Meinungsmacher: Bill Gates, Weltbank-Chef und US-Präsidentenberater Larry Summer, Amazon-Chef Jeff Bezos, außerdem Wissenschaftler, aber auch Sportler wie Michael Schumacher sowie Hollywood-Stars. u. v. m., also die Crème de la Créme. Der Unternehmer Klaus Schwab ist also ein Strippenzieher und „graue Eminenz“ der globalen Elite, dem sich unsere Politiker weltweit unterwerfen, ähnlich wie bei der DGAP in Deutschland und Europa.

Die Strategie der DGAP und ihrer Partnerorganisationen ist aufgegangen

Den drängenden Empfehlungen der DGAP folgend, in deren Gremien nebst einflussreichen Wirtschaftsvertretern auch zahlreiche Politiker eingebunden sind (siehe vorherige Abschnitte dieses Dossiers),begann also eine regelrechte Militarisierung der deutschen Politik in allen Bereichen mitsamt den höchsten Rüstungsausgaben seit Kriegsende in Deutschland und explodierenden Gewinnen bei den Rüstungskonzernen – bis hin zur Umsatzverdoppelung bei Rheinmetall, bejubelt auch von der Opposition und den Leitmedien. Daraufhin erklomm der eifrige Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei der deutschen Bevölkerung den Spitzenplatz im Beliebtheitsranking. Das ist sicherlich ganz im Sinne der Rüstungslobby und ihrer politischen Netzwerke, die der Öffentlichkeit weitgehend verborgen bleiben.

Die Strategie der DGAP und ihrer international vernetzten Partnerorganisationen ist somit aufgegangen: Der „Mentalitätswandel“ (mitsamt damit verstärktem Rechtruck in der politischen Parteienlandschaft) hin zur „Kriegstüchtigkeit“ statt „Kriegsmüdigkeit“ ist „auf breiter Front“ in vollem Gange. Und Regierung und Parlament funktionieren im Sinne ihrer Berater. Eher werden infolge der aktuellen Haushaltskrise Sozialkürzungen akzeptiert als Reduzierungen im dreistelligen Milliardenbereich für Militär und Rüstung.

DGAP will deutsche Außenpolitikmit neuer Sicherheitsordnung „aktiv mitgestalten“

Damit war die große Stunde für die DGAP gekommen. Sie lobte zwar die „beachtliche Kehrtwende in der Verteidigungs-, Wirtschafts- und Energiepolitik“ der Ampelregierung und des Bundestages. Dennoch mangele es nach ihrer Auffassung zurzeit noch an einer „übergreifenden Strategie mit klaren Zielen und konkreten Lösungsansätzen.“ Deshalb sieht die DGAP dadurch erklärtermaßen „eine besondere Gelegenheit, ihrem Auftrag getreu, die Außenpolitik Deutschlands aktiv mitzugestalten.“ Sie erklärte es deshalb zu ihrem Ziel, „einen Anstoß zu einer notwendigen Diskussion über die Grundzüge einer neuen Euro-atlantischen Sicherheitsordnung, jenseits tagespolitischer Entwicklungen, zu geben: Deutschland und Europa müssen eine Vision einer neuen Ordnung gemeinsam entwickeln.“

Dazu fühlt sich die DGAP also kompetent berufen. Der neue geschäftsführende Direktor Guntram Wolff bedauerte, dass der Krieg im Nahen Osten die Politik und Öffentlichkeit beansprucht und fragte: „Bleibt noch genug Aufmerksamkeit für den russischen Angriff auf die Ukraine? Der sollte zuerst im Fokus Deutschlands und Europas stehen“. Diese Besorgnis wurde umgehen von Außenministerin Baerbock öffentlich geteilt und die folgsamen Medien richteten seither wieder ihren Fokus stärker auf die Ukraine. Im DGAP-Info schreibt Wolff:„Spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist es klar, dass die deutsche und europäische Außenpolitik vor massiven Veränderungen steht. Die DGAP spielt eine zentrale Rolle, die strategische Debatte in Deutschland zu prägen und Außen-, Europa-, Wirtschafts-, Klima- , Technologie- und Sicherheitspolitik zu verknüpfen. Ich freue mich darauf, gemeinsam mit meinen Kollegen politikrelevante Empfehlungen zu formulieren.“

Lobbyismus Studie: Der Rüstungslobby wird es in Deutschland zu leicht gemacht

Im Oktober 2020 veröffentlichte der Stern die zuvor bereits erwähnte Studie der Antikorruptionsorganisation „Transparency International“, wonach es Rüstungsunternehmen zu leicht gemacht wird, die deutsche Politik zu beeinflussen. Angesichts der hohen Summen, um die es bei der Beschaffung von Waffensystemen gehe, sei das besonders besorgniserregend, sagte der Transparency-Verteidigungsexperte Peter Conze: „Bei aller Berechtigung von Geheimhaltung in diesem Politikbereich muss die größtmögliche Transparenz hergestellt werden, um die Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit sicherzustellen.“ Die Studie verweist auf den vergleichsweise häufigen Wechsel ehemaliger Bediensteter des Verteidigungsministeriums in die Industrie und auf die geringe Transparenz der deutschen Parteienfinanzierung, die trotz wiederholter Kritik eines Europarats-Gremiums bis heute nicht reformiert wurde. So können zum Beispiel Abgeordnete Spenden eines Unternehmens bis zu einer Höhe von 10.000 Euro annehmen, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt

Die Studie erwähnt auch eine wenig bekannte Veranstaltungsreihe namens „Celler Trialog“. Unter diesem Namen lud der CDU-Abgeordnete und Verteidigungsexperte Henning Otte von 2013 bis 2016 regelmäßig – zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik- Vertreter der Bundeswehr, der Rüstungsindustrie und der Politik zu einer zweitägigen Veranstaltung in seinen Wahlkreis nach Celle in die Lüneburger Heide. Bei einem geselligen „Heidjerausklang“ in einem örtlichen Wirtshaus konnten sich Lobbyisten und Politiker abends näher kommen – dank Zuschüssen aus der Industrie – darunter wieder Airbus sowie der Rheinmetall-Konzern, der nahe Celle in Unterlüß seine größte Produktionsstätte für Rüstungstechnik unterhält. Die Zuwendungen der Industrie hätten somit wohl zu Ottes Wiederwahl beigetragen, heißt es in der Studie der Antikorruptionsorganisation. In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick in das Wirken weiterer Lobbyorganisationen der Rüstungsindustrie wie z.B.: „Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik“ (DWT) und „Förderkreis Deutsches Heer“ (FKH) sowie die „Deutsch-Atlantischen Gesellschaft“(DAG) mit Einbindung von Politikern.

TEIL III:
ZUR PERSONELLEN UND ORGANISATORISCHEN AUSSTATTUNG DER DGAP UND IHREN AKTIVITÄTEN

Welche Persönlichkeiten stecken als „Strippenzieher“ in und hinter der DGAP?

Aufgrund des Selbstverständnisses der DGAP empfiehlt sich ein gründlicher Blick in die personelle Zusammensetzung der Organe und Führungsgremien des privaten Lobbyvereins, der sich durch Einbindung von teils hochrangigen Politikern und auch Wissenschaftlern in der Öffentlichkeit einen offiziellen Anstrich zu geben versucht – mit gewissem Erfolg. Doch der demokratisch nicht legitimierte Verein kann durch noch so viele eingebundene Politiker und Persönlichkeiten aus der (selbst ernannten) Elite – nicht wenige davon mit Harvard-Studium – die demokratischen und staatlichen Institutionen nicht delegitimieren, indem er deren offiziellen Gremien und Regierungskonferenzen in den Schatten stellen möchte.

Ähnlich wie auch beim Weltwirtschaftforum (WEF) des Unternehmers Klaus Schwab oder bei der „Münchener Sicherheitskonferenz“ der privaten Stiftung von Hensoldt-Rüstungslobbyist Wolfgang Ischinger (laut Spiegel) wird mit der internationalen Teilnahme hochrangiger Wirtschaftsführer und sogar Staatschefs aus vielen Ländern als Gäste der privaten Lobbyorganisationen eine hohe Reputation erstrebt. Wer aber sind diejenigen, die sich berufen fühlen, mit prominent zusammengesetzten Privatkonferenzen die internationale Politik maßgeblich zu beeinflussen, indem sie Politiker und Wirtschaftsführer zusammenführen und die Themen setzen? Deshalb zunächst die Frage: Wer steht eigentlich an der Spitze der „Denkfabrik“ GASP in Vorstand und Präsidium sowie im Forschungsinstitut?

Wer steht an der Spitze der „Denkfabrik“ GASP und ihrer Gremien?

Seit Juni 2019 steht der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Luftfahrt-und Rüstungskonzerns Airbus, Thomas Enders an der Spitze des Vorstandes der DGAP als amtierende Präsident, als Nachfolger von Arend Oetker. Tom Enders freute sich im August 2022 nach der Neubesetzung auch in der DGAP-Geschäftsführung, dass nun mit dem erfahrenen Manager Guntram Wolff – der auch regelmäßig bei den informellen Treffen der EU-Finanzminister spricht – „die Vernetzung von Entscheidungsträgern von Politik und Wirtschaft mit Think Tanks und gesellschaftlichen Stakeholdern vorangetrieben wird“, um die Rolle und Bedeutung der DGAP als einer führenden außenpolitischen Einrichtung in Europa weiter auszubauen.“ Dort tauschen sich auch Vertreter des deutschen Militärs und der Geheimdienste mit Wissenschaftlern und Journalisten aus.

Vita des ehemaliger Rüstungs-Konzernchefs von Airbus als DGAP-Präsident

Der neue DGAP-Präsident Thomas Enders war bis 2012 Unternehmensleiter und Vorstandsvorsitzender der Airbus-Group (vormals EADS) und Airbus SE – dem zweitgrößten Rüstungskonzern mit 10,9% Bundesbeteiligung und mit Rüstungsgeschäften auch in Saudi-Arabien – sowie vorher Stipendiat und wissenschaftlicher Mitarbeiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung sowie bis 2011 CSU-Mitglied. Studiert hatte er in Bonn und in Los Angeles. Unter Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg war er Mitglied des Planungsstabes des Verteidigungsministeriums. Schon 1988 hatte er als Referent im „Forschungsinstitut“ der DGAP gearbeitet.

Bis 2015 war Tom Enders Teilnehmer der „Bilderberg-Konferenz“ und von 2005 bis 2009 zudem Vorsitzender der „Atlantik-Brücke“ (Ihm folgte dort im Vorsitz der Blackrock-Lobbyist Friedrich Merz und danach der zweifache Rüstungskonzern-Aufsichtsrat Sigmar Gabriel. Ehrenvorsitzender war bis zu seinem Tod in 2016 der nach dem damaligen CDU-Parteispendenskandal vorbestrafte Walther Leisler-Kiep ). Thomas Enders gehörte auch dem 20-köpfigen Beirat der so genannten „Münchener Sicherheitskonferenz“ an, dem alljährlichen privaten Treffen der Finanz- und Rüstungslobby mit handverlesenen Spitzenpolitikern, hochrangigen Konzernvertretern sowie Militärs und Geheimdienstchefs.

Wie der heutige DGAP-Präsident der Kanzlerin gelockerte Rüstungsexporte abnötigte

Nach der von Rüstungsunternehmen und Bundesregierung gemeinsam gesponserten 55. „Münchener Sicherheitskonferenz“ der privaten Stiftung von Wolfgang Ischinger – der sich laut Spiegel als Rüstungslobbyist für das Rüstungselektronik-Unternehmen Hensoldt aus Ulm betätigt (dem Kanzler Scholz im Januar 2023 auf Vermittlung von Ischinger einen Besuch in Ulm abstattete) – hatte Tom Enders 2019 auf einer eigenen Pressekonferenz die damalige Bundeskanzlerin Merkel erfolgreich öffentlich unter Druck gesetzt und war ihrer Pressekonferenz mit öffentlichen Forderungen zuvorgekommen:

Er verurteilte scharf die „moralisierenden Deutschen“ bei Rüstungsexportgeschäften in Krisenregionen und forderte von der Regierungschefin und dem Bundessicherheitsrat dringend eine Lockerung der Restriktionen bei den Rüstungsexporten auch in Krisenregionen (weil Airbus führend werden wollte bei den künftigen Kampfdrohnen für die Bundeswehr und die europäische Verteidigungsunion). Kanzlerin Merkel folgte der gewünschten Erleichterung der Rüstungsexporte umgehend, entgegen den Koalitionsvereinbarungen mit der SPD.

Airbus gehörte jahrelang zu den größten Sponsern der DGAP

Nach den Recherchen von Transpareny International gehörte der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus jahrelang zu den größten Sponsoren der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Mit Zuwendungen von jährlich jeweils 100.000 Euro oder mehr gehörte Airbus von 2013 bis 2016 jeweils zu den fünf bis sieben größten Förderern des renommierten Thinktanks, neben dem Auswärtigen Amt, der Dr. Arend Oetker Holding und der Robert Bosch Stiftung. Aus Sicht von Transparency International ist das auch deshalb auffällig, weil der langjährige Airbus-Vorstandschef Thomas Enders als finanzieller Förderer der DGAP heute Präsident der DGAP ist. Ein Airbus-Sprecher erklärte, dass das Unternehmen die DGAP projektbezogen und darum in wechselnder Höhe gefördert habe, weil sie „eine Plattform für breiten gesellschaftlichen Dialog bietet, nicht zuletzt auch zu Themen, die mit der Luft- und Raumfahrt verbunden sind“.

Rheinmetall-Lobbyist im Vorstand der DGAP

Im Vorstand der DGAP war seit 2013 und bis Mai 2020 zudem der Lobbyist Michael Inacker vertreten. Die bis vor kurzem von ihm geführte PR- und Lobbyagentur WMP Eurocom arbeitete wenigstens zeitweise für den Rüstungskonzern Rheinmetall sowie für das Königreich Saudi-Arabien – lange ein wichtiges Zielland deutscher Rüstungsexporte. Eine Sprecherin der DGAP wies den „Vorwurf der Beeinflussung durch Industrie oder in Person unseres ehrenamtlichen Präsidenten“ Thomas Enders „strikt“ zurück: „Die Forschung, die Veranstaltungen, die Veröffentlichungen und die Öffentlichkeitsarbeit der DGAP sind vollkommen unabhängig von den Ansichten ihrer Partner und Förderer, von politischen Parteien oder Ansichten sowie jeglichen sonstigen externen Einflüssen“, schrieb die Sprecherin.

DGAP-Forschungsdirektor: „Rüstungsexporte essenziell für heimische Rüstungsindustrie“

In den vergangenen Jahren hatte der stellvertretende Forschungsdirektor der DGAP und Leiter des „Zentrums für Sicherheit und Verteidigung“ der DGAP, Christian Mölling, Rüstungsausfuhren immer wieder verteidigt: „Nationale Rüstungsexporte können generell einen außen- und verteidigungspolitischen Mehrwert bringen“, schrieb er zusammen mit einem Co-Autor. „Deutsche Rüstungsexporte sind essenziell, um die heimische Rüstungsindustrie zu erhalten“, bekräftigte er 2018 in einer Stellungnahme für den Bundestag

Seine Fachgebiete bei der DGAP sind neben der Sicherheits- und Verteidigungspolitik Deutschlands, der EU und der NATO auch militärische Fähigkeiten und Rüstungsindustrie. Vor seiner Tätigkeit für die DGAP arbeitete er beim „German Marshall Fund of the United States (GMF)“ in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik und war in gleicher Thematik zuvor bei Instituten in London und Paris tätig.

Wer ist der Mann an der Spitze der „Denkfabrik“ DGAP als Hauptgeschäftsführer?

Seit August ist Prof. Dr. Guntram Wolff Hauptgeschäftsführer („CEO“) der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)“, ein eingetragener Verein. Von 2013 bis 2022 war er zuvor Direktor von „Bruegel“, einem in 2004 gegründeten und in Brüssel ansässigen Institut für Wirtschaftspolitik in Europa, das er zu einem führenden globalen Think Tank entwickelte – eine von insgesamt 50 „Denkfabriken“ in der „Lobbyisten-Hauptstadt“ Brüssel. Jedoch gilt Bruegel – von SPD-Kanzler Schröder und Frankreichs Präsident Chirac 2003 mit ins Leben gerufen – als „eine der innovativsten und wichtigsten Denkfabriken in Europa“ (Darüber an anderer Stelle noch Näheres.). Von 2008 bis 2011 arbeitete Wolff bei der Europäischen Kommission an der Makroökonomie des Euroraums und der Reform der Governance des Euroraums. Er begann seine berufliche Laufbahn in der Forschungsabteilung der Deutschen Bundesbank, wo er nach Abschluss seiner Promotion in Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn tätig war.

Die Arbeiten des DGAP-Geschäftsführers Guntram Wolff wurden in Zeitschriften für Geld, Kredit und Bankwesen wie Journal of Money, Credit and Banking sowie in anderen Fachzeitschriften veröffentlicht (z.B. Nature, Science, Nature Communications, Journal of European Public Policy European Journal of Political Economy, Climate Policy, Energy Policy und Foreign ). Wolff war Teilzeitprofessor an der Solvay School of Economics and Management der Université Libre de Bruxelles. Seine bisherigen Forschungsschwerpunkte, so ist in seiner Vita nachzulesen, lagen in den Bereichen europäische politische Ökonomie, wirtschaftliche Staatskunst, Geo-Ökonomie, Klimapolitik und Deutschlands geopolitische Strategie. Seit August 2023 lehrt er an der Willy Brandt School of Public Policy und der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt.

DGAP-Geschäftsführer Wolff zählt zu den einflussreichsten „Power Playern“ in Europa.

Guntram Wolff gilt als ein erfahrener öffentlicher Redner und hat an zahlreichen Podiumsdiskussionen mit führenden Wissenschaftlern, politischen Entscheidungsträgern und Führungskräften teilgenommen und diese geleitet – so schreibt er auf seiner persönlichen Website über sich selber. Er werde häufig von verschiedenen globalen Medien zitiert und verfasse Meinungsbeiträge in namhaften Zeitungen, darunter die New York Times, Financial Times, Bloomberg, The Guardian, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Le Monde, El Pais und verschiedene andere Medien. Im Jahr 2020 wurde er von Business Insider zu einem der 28 „einflussreichsten Power Player in Europa“ gezählt.

Seit 2013 spricht Wolff zweimal jährlich vor dem informellen Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN), dem Treffen der Finanzminister und Zentralbankpräsidenten der EU, zu einer Vielzahl von Themen. Von 2012 bis 2016 war er Mitglied des Conseil d’Analyse Economique des französischen Premierministers. Im Jahr 2021 wurde Wolff in das High Level Independent Panel (HLIP) der G20 zur Finanzierung der globalen Gemeinschaft für Pandemievorbereitung und -reaktion berufen. Im Jahr 2018 berief ihn die damalige geschäftsführende Direktorin des IWF, Christine Lagarde, in die External Advisory Group on Surveillance, eine Gruppe, die die operativen Prioritäten des Internationalen Währungsfonds bis 2025 überprüfen soll. Er ist außerdem ein „unabhängiges“ Mitglied des bulgarischen Rates der Wirtschaftsberater und ein Council Member des European Council on Foreign Relations (ECFR). (Zu dieser bedeutenden Partnerorganisation an anderer Stelle nähere Informationen).

Dr. Steffen Zorn leitet den Mitgliederbereich der DGAP mit einer „Mission“

Der DGAP-Bereichsleiter für die Mitgliederbetreuung ist seit 1. Januar 2022 Dr. Steffen Zorn. (Die bisherige Leiterin Evelyn Rehm wird der DGAP nach 16 Jahren in der Position mit reduzierter Arbeitszeit erhalten bleiben, so heißt es in den DGAP-Infos). Steffen Zorn ist als Abteilungsdirektor zusammen mit der Verwaltungsdirektorin Dr. Monika Lüke verantwortlich für die strategischen Partnerschaften und das Fundraising der DGAP. Vor allem soll die „dezentrale Politikvermittlung“ sein Schwerpunkt und „seine Mission“ sein, wie es dort heißt. Dafür hat die Geschäftsführung der DGAP den Mitgliederbereich bewusst mit mehr Ressourcen ausgestattet. Damit soll den Mitgliedern der DGAP „exklusiver Zugang zu einem hochkarätigen Netzwerk sowie zu Expertise und Veranstaltungen rund um deutsche und europäische Außenpolitik verschafft werden“, als „Besonderheit des Hauses DGAP“, wie es im DGAP-Info lautet. (Darüber im Weiteren noch Näheres zu den Hintergründen).

Vor seiner Tätigkeit bei der DGAP war Steffen Zorn stellvertretender Entwicklungsdirektor (Deputy Director Development) beim „European Council on Foreign Relations“ (ECFR) für die Fachgebiete EU, Parteipolitik, Menschen- und Grundrechte. Davor arbeitete er mehrere Jahre im Europäischen Parlament in Brüssel als wissenschaftlicher Mitarbeiter mehrerer Abgeordneter, war als Senior Director maßgeblich am Aufbau des „Women in Parliaments Global Forum“ (jetzt „Women Political Leaders“) beteiligt und leitete ehrenamtlich den Wahlkampf eines Kandidaten für die Wahl zum Deutschen Bundestag. Seine Laufbahn begann er mit dem Studium der „Diplom Sprachen-, Wirtschafts- und Kulturraumstudien“ in Passau und Santiago del Estero, Argentinien. Steffen Zorn promovierte zur Europäischen Justiz- und Innenpolitik nach dem Vertrag von Lissabon an der Universität zu Köln unter Betreuung von Professor Wolfgang Wessels.

Politikchef der Presseagentur dpa nun Chefredakteur der DGAP-Zeitschrift

Martin Bialecki ist seit September 2018 als Nachfolger von Sabine Rosenbladt Chefredakteur der deutschsprachigen DGAP-Zeitschrift Internationale Politik(IP), die seit 1995 alle 2 Monate in einer Auflage von 4.600 erscheint, sowie des Online-Magazins Internationale Politik Quarterly (IPQ). Zusätzlich erscheint seit 2000 vierteljährlich eine englischsprachige Transatlantic Edition sowie seit Juni 2005 die quartalsweise veröffentlichte chinesische Ausgabe, die von der deutschen Botschaft in Peking produziert wird. Die seit 1996 alle 2 Monate erschienene russische Ausgabe, hergestellt von der deutschen Botschaft in Moskau, wurde eingestellt. Seit 2010 erscheint jährlich eine Sonderbeilage „Special“ der IP, in der die Fellows des Mercator Kolleg für internationale Aufgaben ihre Projekte vorstellen.

Bis zum Sommer 2018 war Bialecki in Washington DC als Büroleiter und Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur (dpa) tätig. Er war Mitglied der White House Correspondents’ Association sowie des German Executive Roundtable. Als Guest Speaker nahm er an Podien der Harvard Law School teil und referierte an der George Washington University u.a. über Medien- und Wahlkampfthemen. Journalistisch begleitete er Barack Obama im letzten Jahr als Präsident ebenso wie im Wahlkampf und in den ersten beiden Jahre der Präsidentschaft Donald Trumps.
Von 2011 bis 2015 war Martin Bialecki Politikchef der überparteilichen Presseagentur dpa – ein Gemeinschaftsunternehmen der über 170 deutschen Mediengesellschaften mit 700 Beschäftigten -und verantwortete die innen- und außenpolitische Berichterstattung der Agentur, ebenso wie das Team der dpa-Bundeskorrespondentinnen und -korrespondenten. Von 2009 bis 2010 war Bialecki Geschäftsführer der Public Affairs-Agentur PLATO Kommunikation, einer Tochter von Scholz&Friends. In früheren Positionen bei der dpa führte Bialecki die Ressorts Politik und Vermischtes. Er arbeitete in München, Hamburg und Brüssel und berichtete von gut drei Dutzend internationalen Gipfeltreffen. Seine Fachgebiete sind US-Außen und Innenpolitik, Transatlantische Beziehungen, Medien/Phänomene der Desinformation sowie Populismus.

NATO-Insider als Direktor des Forschungsinstituts der DGAP

Dr. Roderick Parkes ist Direktor des Forschungsinstituts der DGAP sowie Leiter des Alfred-von-Oppenheim Zentrums für Europäische Zukunftsfragen (AOZ). Seine Fachgebiete sind Fragen der europäischen Integration und die Rolle der EU in der Welt sowie die Beziehungen zu Großbritannien. Zuvor war er am Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien (EUISS), einer EU-Agentur in Paris, tätig, wo er als Berater zu der Schnittstelle zwischen innerer Sicherheit und Außenpolitik der EU arbeitete. In den letzten 15 Jahren hat Parkes europaweit für verschiedene Forschungsinstitute gearbeitet. Am schwedischen Institut für Internationale Angelegenheiten (UI) arbeitete er an einem Forschungsprojekt für das Außenministerium zur geopolitischen Dimension der Migration; am polnischen Institut für internationale Angelegenheiten (PISM) leitete er das Europa Programm und bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) arbeitete er zunächst als Forscher in Berlin.

Später leitete er das Verbindungsbüros zu EU-Institutionen und der NATO. Parkes promovierte an der Universität Bonn und studierte in Cambridge, der University of Edinburgh und Sciences-Po Grenoble. Er hat am Europäischen Sicherheits- und Verteidigungskolleg, an der NATO-Schule Oberammergau und am NATO-Verteidigungskolleg unterrichtet.

Die Spitzen der deutschen Industrie an der Spitze der DGAP

Zwar ist es üblich, dass stets Banker und Konzernchefs als Präsidenten der DGAP fungierten, wie Kurt Birrenbach vom Stahl- und Rüstungskonzern Thyssen AG, Werner Lamby von der VIAG AG (später zum VEBA-Konzern und E.ON fusioniert), Günter Henle vom Handelshaus Klöckner, Ulrich Cartellieri von der Deutschen Bank, der adelige Banker Alfred Freiherr von Oppenheim (Sal. Oppenheim, Vizepräsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages), Arend Oetker von der Oetker Holding (Ehrenpräsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie) . Als stellvertretender Präsident fungierte sogar mit Herbert Trebesch ein Admiral a.D. von den Militärs. Es hat sich zwischendurch aber auch mal ein Politiker wie der ehemalige Außenminister und Vizekanzler Hans-Friedrich Genscher (ab 2001) als DGAP-Präsident betätigt, (späteres Ehrenmitglied, ebenso wie Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker).

Aktuell ist jedoch mit Thomas Enders wieder ein (ehemaliger) Manager eines Rüstungskonzerns an der Reihe. Vizepräsident ist Rolf Nikel (vorher deutscher Botschafter in Polen). Und Schatzmeister im Vorstand ist seit 2019 Georg Graf Waldersee (vormals Führungskraft bei EY Ernst & Young und Aufsichtsrat in börsennotierten Unternehmen, Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den Ukraine-Gastransit). Außerdem ist Jutta von Falkenhausen seit 1993 ehrenamtlich als Syndika im Vorstand tätig (zuvor Juristin in einer internationalen Anwaltssozietät und Harvard-Absolventin) und Geraldine Schroeder (Unternehmensberaterin und Leiterin des Deutschland-Geschäftes der globalen Kommunikationsberatung Hill + Knowlton). Als Vorsitzender der „Jungen DGAP“ sitzt Carsten Berger vom deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung im DGAP-Vorstand.

Unabhängige“ Sachverständige und Wirtschaftsweise im DGAP-Vorstand

Seit 24. Mai 2023 ist Prof. Dr. Veronika Grimm in den DGAP-Vorstand gewählt worden, die zugleich seit 2020 Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist. (Aktuell ist sie in den Medien präsent wegen ihrer penetranten Vorschläge zur Rentenkürzung infolge der Haushaltskrise). Ferner ist sie in zahlreichen Gremien und Beiräten aktiv ist, u.a. im nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung und in Expertenkommissionen mehrerer Bundesministerien zu Fragen der Zukunftsenergien und Verbraucherfragen. Ist diese (unabhängige) Beraterrolle für die Bundesregierung vereinbar mit ihrer Führungstätigkeit in einem Lobbyverein?

Dessen personelle Verflechtung mit weiteren Lobbyorganisationen wie vor allem Bertelsmann wird in der Person von Prof. Dr. Daniela Schwarzer sichtbar, die als Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung bis April 2021 Direktorin der DGAP war. Sie gilt als „Expertin für europäische und transatlantische Beziehungen und blickt auf eine 20-jährige Karriere bei renommierten Think Tanks, Stiftungen und Universitäten zurück“, so heißt es in ihrer Vita. Sie war Beraterin der deutschen und französischen Regierung und der EU-Kommission, auch zur Reform der EU, und wurde 2017 in die französische Ehrenlegion aufgenommen.

Eigenes Forschungsinstitut der DGAP organisiert „Hintergrundgespräche“

Das eigene Forschungsinstitut der DGAP unter Roderick Parkes mit 40 Expertinnen und Experten versteht sich als „Berater, Vermittler und Impulsgeber für die operative Außenpolitik mit konkreten Lösungsansätzen“. Es wurde bereits in Teil I und II dieses Dossiers ausführlich gewürdigt. In jährlich über 150 Veranstaltungen und „Hintergrundgesprächen“ kommen Regierungsmitglieder aus Deutschland und andere Staaten, Abgeordnete und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Botschafterinnen und Botschafter auf Einladung des Instituts zusammen.

Mit dem angegliederten DGAP-Informationszentrum (IZ) mit mehr als 85.000 Büchern und über 200 Fachzeitschriften bietet die DGAP „eine der größten öffentlich zugänglichen Spezialbibliotheken zu außenpolitischen Fragen in Deutschland“. Das IZ-Team stellt individuelle Literaturrecherche zu außenpolitischen Themen bereit. Mit dieser Infrastruktur begründet sie ihr Selbstverständnis als wissenschaftliche Beratungseinrichtung, die den Eindruck der Trennung von den eigentlichen wirtschaftlichen und politischen Lobby- Interessen der DGAP erzeugen soll.

Der wissenschaftliche Beirat des DGAP-Forschungsinstituts

Die Namen der fünf Professoren im wissenschaftliche n Beirat des DGAP-Forschungsinstituts sind in der allgemeinen Öffentlichkeit nicht besonders bekannt, eher in Fachkreisen. Deren Profil passt aber Bestens zur DGAP: So hat Prof. Dr. Natahlie Tocci (Honorarprofessorin an der Uni Tübingen und Direktorin des „Istituto Affari internazionali“) u.a. Forschungen betrieben an der Transatlantischen Akademie Washington, am „Centre for European Policy Studies“ in Brüssel sowie am Robert-Schuman-Zentrum in Florenz. Für die EU-Vizepräsidentin Federica Mogherini hat sie die „Europäische Globale Strategie“ verfasst, an deren Umsetzung im Bereich Sicherheit und Verteidigung sie derzeit arbeitet. Der Beirats-Vorsitzende Prof. Dr. Thomas Risse war bis 2022 Professor für internationale Politik am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft in der Arbeitsstelle „Transnationale Beziehungen, und Außen- und Sicherheitspolitik“. Er ist Seniorprofessor am Exzellenz-Cluster „Contestations oft he Liberal Script (SCIPTS)“. Seine Dissertation lautete: „Die Krise der Sicherheitspolitik“. Eine Zeitlang war er in den Vereinigten Staaten und dozierte dort an verschiedenen Universitäten. Am Robert-Schumann „Centre for Advanced Studies“ des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz gab er Seminare zur Theorie Internationaler Beziehungen.

Prof Dr. Christoph Trebesch ist seit 2017 Leiter des Forschungsinstitutes „Internationale Finanzmärkte und Makroökonomie“ am IfW Kiel mit Forschungsschwerpunkt Staatsschulden und Schuldenkrise sowie Finanzstabilität und Internationale Kapitalflüsse. Natasha Wunsch ist seit 2023 ordentliche Professorin für Europastudien an der Universität Fribourg sowie Ko-Leiterin des Zentrums für Europastudien; vorher war sie Assistenzprofessorin für Politikwissenschat/ Europäische Integration an der „Scienes Po Paris“, ferner Senior Researcher an der ETH Zürich sowie Gastforscherin an der Harvard Universität und der University of Oxford. Sie promovierte am University College London und ist derzeit Vorsitzende der „ECPR Standing Group on the European Union“. Prof. Dr. Mikkel Vedby Rasmussen von der dänischen Universität Kopenhagen am Institut für Statistik ist Leitender Wissenschaftler am dänischen Institut für internationale Studien. Sein Schwerpunkt sind die Sicherheitspolitik, Führungs- und Strategiepolitik, Frieden und internationale Ordnung sowie europäische Integration. Eine Zeitlang arbeitete er als Dozent am dänischen „Institut for Military Studies (DIMS)“. Mit dem so gebündelten Expertenwissen verschafft sich die DGAP einen professionellen Vorsprung vor den Regierungsstellen.

Die Gremien der DGAP und ihre Regionalforen

Neben dem Vorstand und einem großen Präsidium gibt es einen Finanzausschuss, einen Förderkreis und einen Wissenschaftlichen Beirat sowie eine Reihe namhafter Ehrenmitglieder. (Konkrete Namen zuvor an anderer Stelle). Die Gremien werden von Vertretern der Wirtschaft und deren Lobbyorganisationen dominiert. Der Verein DGAP versucht, aktiv die außenpolitische Meinungsbildung auf allen Ebenen zu beeinflussen, wie in Teil I und II dieses Dossiers ausführlich dargestellt. Dezentral gibt es insgesamt sieben Regionalforen der DGAP: Das Regionalforum NRW und die Regionalforen „Hansestädte“, München, Frankfurt, Sachsen, Baden-Württemberg und Brüssel.

Das Regionalforum NRW mit der größten Gruppe an DGAP-Mitgliedern bietet regelmäßig ein umfangreiches Veranstaltungsangebot in den Städten Bonn, Düsseldorf, Köln und Essen an, „um Meinungen aus der Fläche in die Hauptstadt zu tragen“, zuletzt mit dem Projekt: „Außen und Europapolitik im Ruhrgebiet“. Kooperiert wird dabei mit namhaften großen Unternehmen und Stiftungen bei der Umsetzung der Veranstaltungen und dabei eng mit wichtigen Akteuren aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft zusammengearbeitet. Die Mitglieder in NRW haben so die Möglichkeit, sich in der Region stärker zu vernetzen.

2020 wurde das Projekt „Außen- und Europapolitik im Ruhrgebiet“ ins Leben gerufen. Über drei Jahre hinweg sollen im Ruhrgebiet Räume für Diskussionen und Begegnungen zu europa und außenpolitischen Themen geschaffen werden. Ehrenamtlicher Vorsitzender des Regionalforums NRW/Ruhrgebiet ist seit Dezember 2022 Oliver Wittke (bis 2022 CDU-Bundestagsabgeordneter und zuvor 4 Jahre Oberbürgermeister von Gelsenkirchen). Derzeit ist er Hauptgeschäftsführer des zum BDI gehörenden Zentralen Immobilienausschusses (ZIA) in Berlin, einer Interessenvertretung für kapitalmarktorientierte Immobilienunternehmen.

Wozu dient der Förderkreis der DGAP?

Die Unternehmen werden von der DGAP mit folgenden Angeboten für eine Mitgliedschaft im DGAP-Förderkreis umworben und gelockt: „Als Unternehmen haben Sie die Möglichkeit, im Fördererkreis der DGAP e.V. aktiv an einem regelmäßigen Austausch mit politischen Entscheidern teilzunehmen. Gemeinsam möchten wir Strategien zur Stärkung Deutschlands und Europas im globalen geopolitischen und geoökonomischen Umfeld voranbringen. In Zeiten wachsender Verknüpfung von politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen ist dieser Austausch für beide Seiten notwendiger denn je: International agierende Unternehmen müssen zunehmend mit politischen Risiken umgehen und diese antizipieren.“

Und weiter: „Die Politik steht vor der Herausforderung, unternehmerische Belange stärker in ihr strategisches Handeln einzubeziehen und die eigene Wirtschaft vor geoökonomischen Angriffen zu schützen. Der Fördererkreis der DGAP dient auch dazu, die Strategiefähigkeit von Wirtschaft und Politik zu diskutieren und gemeinsam zu verbessern. Als Vorteile einer Fördermitgliedschaft wird den Unternehmen von der DGAP folgendes angeboten: „Als Mitglied im Fördererkreis der DGAP wird Ihr Unternehmen bzw. Ihre Institution Teil eines einzigartigen Netzwerks und Sie profitieren von vielfältigen Möglichkeiten des Austauschs mit hochrangigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien; Einladungen zu den exklusiven Dinnerabenden des Fördererkreises; der persönlichen Mitgliedschaft von mindestens zwei Repräsentanten in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.“

Präsidium der DGAP mit personeller Verflechtung zur Bertelsmann-Stiftung

Wie im Teil II dieses Dossiers bereits erwähnt, sitzen bzw. saßen im Präsidium der DGAP unter anderem einflussreiche EU-Parlamentarier wie der Bertelsmann-Lobbyist Elmar Brok (CDU), ferner die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU), die auch längere Zeit im Kuratorium des Bertelsmann-Stiftung saß, sowie Günther Nonnenmacher, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er wurde 2004 als Dank für seine langjährige Verbundenheit in den exklusiven Club der „CAP-Fellows“ aufgenommen“. Lange Zeit war auch Werner Weidenfeld Mitglied des Exekutivausschusses und des Präsidiums der DGAP. Er war bis 2007 Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung und Leiter des CAP (Centrum für angewandte Politikforschung, ein Institut zur Politikberatung). Der Politologe stand seit 1992 auf der Gehaltsliste von Bertelsmann und musste nach einem Abrechnungsskandal gehen (das Ermittlungsverfahren wurde nach Zahlung von 10.000 € eingestellt). Zuvor war er langjähriger Berater und Amerika-Koordinator der Regierung Helmut Kohl (CDU) und brachte sein weitreichendes Netz persönlicher Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern in Deutschland, der EU und den USA in die Stiftung ein.

Auf gewisse Weise verkörperte Werner Weidenfeld die Bertelsmann Stiftung, ihre Rastlosigkeit, ihre Allgegenwart, ihren ständigen Seitenwechsel an den Grenzen von privatwirtschaftlich, gemeinnützig, staatsnah und halbwissenschaftlich, bis sich die Wege trennten. Das Doppelleben in politikberatenden Stiftungen und stiftungsfinanzierten Politikberatungen – von Bertelsmann kamen 2005 etwa zwanzig Prozent der Aufträge für das „Centrum für angewandte Politikberatung“ (CAP) des Professors – macht schon die Unterscheidung zwischen privat und öffentlich schwierig. Um wie viel mehr die zwischen privat und privat. Überall spinnt Bertelsmann sein Fäden in die Politik, um damit langfristige Geschäftsinteressen zu verfolgen, denn „Bertelsmänner“ sind Meister internationaler Vernetzung und politischer Partnerschaft.
Siehe hierzu auch die Studie über die Machenschaften von Bertelsmann unter: http://www.wilhelm-neurohr.de/publikationen/themen/freihandelsabkommen-und-fairer-handel/bertelsmann-als-ttip-strippenzieher/

Die Kooperation der DGAP mit der Brüsseler Denkfabrik „Bruegel“

Der Nachfolger des jetzigen DGAP-Geschäftsführers Guntram Wolff bei der Brüsseler Denkfabrik „Bruegel“ – benannt nach einem flämischen Künstler – ist dort nun Jeromin Zettelmeyer .Laut „Lobbypedia“ ist „Bruegel“ (Brussels European and Global Economic Laboratory) eine Denkfabrik und Lobbyorganisation mit einem Budget von über 5 Mio. € und staatlicher Teilfinanzierung , die von zwei Dutzend international tätigen Großkonzernen sowie von 17 Regierungen und den Zentralbanken/staatlichen Finanzinstituten mehrerer EU-Länder getragen wird. Sie beschäftigt sich mit der Erarbeitung von Konzepten zur internationalen – insbesondere europäischen – Wirtschaftspolitik. Dem Verwaltungsrat von Bruegel gehört aus Deutschland der Finanzstaatssekretär Jörg Kukies an, der zuvor leitende Funktionen bei Goldman Sachs innehatte. Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats ist der Niederländer Arnoud Boot, seines Zeichens Co-Direktor des Amsterdam Center for Law & Economics (ACLE) und Leiter des Amsterdam Center for Corporate Finance (ACCF).

Die Mitwirkung in Bruegel bietet für die beteiligten Konzernvertreter darüber hinaus die Möglichkeit, Regierungsvertreter im Sinne ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für marktmächtige Unternehmen informell zu beeinflussen. (Zu den beteiligten deutschen Unternehmen gehören u.a. die Deutsche Bank, Goldman Sachs, Deutsche Telekom, ferner Google, ebay, Microsoft, Morgan Stanley, Shell, Standard & Poor`s und die UBS). Die Unternehmen zahlen einen Jahresbeitrag von 50.000 € sowie die Regierungen in Abhängigkeit von der Landesgröße. Außer mit Bruegell kooperiert die DGAP auch mit dem zuvor schon erwähnten „European Council on Foreign Relations (ECFR) , das ist eine 2010 gegründete europaweite Denkfabrik zur europäischen Außen- und Sicherheitspolitik mit Sitz in London und weiteren Büros in Berlin, Madrid, Paris, Sofia, Warschau und Rom. Kontakte gibt es auch mit „Chatham House“ (zuvor „Royal Institute of International Affalirs“ London, 1920 von Woodrow Wilson mitgegründet, teils gesponsert von der Rockefeller Stiftung, der Gates Foundation, der Adenauer-Stiftung und der NATO mit einem Budget von 12 Mio. €).

Wer finanziert eigentlich die DGAP?

Die finanziellen Förderer der Lobbyvereins DGAP sind nach ihrer finanziellen Großzügigkeit und Spendenfreudigkeit unterteilt. Diese Listen mit einem Mix aus öffentlichen und privaten Geldern sowie Stiftungsgeldern und Spenden sind äußerst aufschlussreich: Über 100.000 € erhält die DGAP nach eigenen Angaben von folgenden Förderern: Auswärtiges Amt, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF); Bundesministerium der Verteidigung (BMVG). Das sind die 27% an Bundeszuschüssen für die Lobbyorganisation für die kostenlosen Beratungen. Weitere Gelder in Höhe von 100.000 € und mehr erhält die DGAP von der Europäischen Kommission, ferner von Dr. Arend Oetker, der Friede Springer Stiftung, vom Open Society Foundations, von der Otto Wolff Stiftung und der Stiftung Mercator GmbH sowie vom Stiftungsfonds für Umweltökonomie und Nachhaltigkeit GmbH (SUN).

In der Kategorie von 25.000 € und mehr sind aufgeführt: Alfred Freiherr von Oppenheim-Stiftung zur Förderung der Wissenschaften, Britische Botschaft Berlin, Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik gGmbH (DIE), Dokumentationsstelle Politischer Islam (Österreichischer Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus), Harald und Gertrud Kühnen Stiftung, Sal. Oppenheim-Stiftung, ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius. Und 10.000 € und mehr spenden: Dr. Ursula Braun, Dr. Thomas Enders , Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Jutta Freifrau von Falkenhausen, Norwegian Institute for Defence Studies , Ministry of Foreign Affairs of Estonia. Mit Kleinspenden oder beiträgen über und unter 5.000 € beteiligen sich die Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW), die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und das Europäisches Hochschulinstitut (EUI).

Spannende Mitgliedschaften im spendenfreudigen Förderkreis

Spannender ist die Liste der Unternehmen, die sich über den Förderkreis der DGAP aus der Privatwirtschaft finanziell einbringen, z.B. mit 20.000 bis 30.000 €, darunter auch Rüstungsunternehmen: Airbus Defence and Space GmbH, BASF SE, Deichmann SE, Deutsche Bank AG, Dr. Martin Herrenknecht Verwaltungs GmbH, Ernst & Young GmbH, Goldman Sachs Gives gGmbH, Google Germany GmbH, Helsing GmbH, KORTE Stiftung, Perella Weinberg GmbH, PepsiCo Deutschland GmbH, Prof. Dr. h.c. Roland Berger (privat), VINCORION – JENOPTIK Advanced Systems AG.

Mit Zuwendungen zwischen 10.000 bis 20.000 € bringen sich folgende Unternehmen ein: Bertelsmann SE & Co. KGaA, Deutsche Telekom AG, d-fine GmbH, Dr. Nicola Leibinger-Kammüller, Evonik Industries AG, goetzpartners Corporate Finance GmbH, Robert Bosch GmbH, Rolls-Royce Power Systems AG, Schubert & Salzer GmbH, Trumpf SE + Co. KG, Vontobel Holding AG.
Mit unter10.000 € sind eine Vielzahl an Unternehmen dabei: Bayer AG, BMW AG,BP Europe SE, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. (BGA), Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ), Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V. (DIHK), Deutsche Lufthansa AG, Dr. Arend Oetker Holding GmbH & Co. KG, Dr. Benno Schwarz, Eurojet Turbo GmbH, KfW Bankengruppe, Knauf GIPS KG, KWS Saat SE & Co. KGaA , Linde GmbH, Media Consulta International Holding AG, Mercedes-Benz Group AG, Peter Jungen Holding GmbH, Peter Klöckner-Stiftung, Philip Morris GmbH (PMG), Rolls-Royce Deutschland Ltd. & Co. KG, Siemens AG, Siemens Energy Global GmbH & Co. KG, Siemens Healthcare GmbH, SMS Holding GmbH, TSBC GmbH, Volkswagen AG.

Zur Entstehungsgeschichte der von Bankern gegründeten DGAP

Abschließend ein Blick in die Entstehungsgeschichte der einflussreichen Lobbyorganisation, nachdem ihre aktuelle Einflussnahme auf die veränderte Außen- und Militärpolitik der Bundesregierung und des Bundstages kritisch beleuchtet wurde. Die „Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP) als eingetragener „gemeinnütziger“ Verein wurde 1955 in Bonn von den beiden Bankern Hermann Josef Abs (Deutsche Bank) und Robert Pferdmenges (Schaffhausen`scher Bankverein Köln und Bankhaus Sal, außerdem CDU-Bundestagsabgeordneter und Präsident des Bundesverbands deutscher Banken) gegründet, und zwar zusammen mit weiteren Unterzeichnern des Gründungsaufrufes wie dem Banker August Oswald von einem Frankfurter Bankhaus, dem Vertreter des Rüstungskonzerns „Metallgesellschaft, dem Präsidenten des BDI (Bund der deutschen Industrie), einem Vertreter der Allianz-Versicherung, dem Präsidenten des Bundesgerichtshofes sowie dem Chefredakteur „Die Zeit“, der auch Mitbegründer der „Atlantik-Brücke“ zusammen mit dem damaligen Bankchef der Warburg-Bank war.

Unterschrieben hatten den Gründungsaufruf auch 5 ranghohe CDU-Politiker und -minister und ein leitender Beamter aus dem Auswärtigen Amt, ferner ein FDP-Minister und der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer und andere. Bei dem Gründungakt in der Bonner Universitär hielt Bundeskanzle Adenauer eine Ansprache. Zusammen mit der DGAP wurde zugleich auch der Fördererkreis der DGAP gegründet, dem 53 Unternehmen aus Wirtschaft und Industrie beitraten, die sich an einem „Forschungsausschuss“ und „wissenschaftlichem Direktorium“ der DGAP beteiligten. Im Mai 2005 richtete die DGAP sogar die zentrale Veranstaltung in Berlin zur Feier des 50-jähigen Bestehens der NATO aus. Heute spielen Rüstungskonzerne eine zentrale Rolle in der DGAP, wie die lobbykritischen Organisationen bemängeln.

Amerikanische und britische Denkfabriken als Vorbild und Partner

Vorbilder und Unterstützer bei der Gründung der DGAP waren die private US-amerikanischen Denkfabrik „Council on Foreign Relations“ und die privaten britische Denkfabrik „Chatham House“ (zuvor „Royal Institute of International Affairs“ London) , die schon seit 1910 bzw. 1912 existieren. (Näheres über die beiden Denkfabriken als Netzwerk-Partner der DGAP und über weitere Kooperationspartnern an anderer Stelle).

Der Unternehmer und CDU-Politiker Günther Henle war bis 1973 erster Präsident der DGAP und sorgte mit den Gründungsvätern für eine Verzahnung von Entscheidungsträgern aus Finanzwesen, Industrie, Medien, Politik und Justiz. Die DGAP ist Mitglied im „Netzwerk Europäische Bewegung“, ein Zusammenschluss von 250 Interessengruppen im Bereich Europapolitik mit Förderung durch das Auswärtige Amt und in Kooperation mit der Bundesregierung und der EU. Durch internationale Foren und Vorträge ausländischer Staatspräsidenten sogar von Indien, Russland, China, Jordanien, Israel, Pakistan oder Südafrika, gewann die DGAP vor allem in den 1980-er Jahren außenpolitisch an Ansehen und Bedeutung.

1962 gelang der DGAP die Einrichtung eines Referats „Rüstungskontrolle und internationa-
le Sicherheit“ und Einsetzung der „Studiengruppe Internationale Sicherheit“ (heute „für strategische Fragen“) – wie zuvor schon erwähnt – unter dem Vorsitz von Fritz Erler (spätere Vorsitzende: Helmut Schmidt, Karl Mommer, Alfons Pawelczyk, Egon Bahr, Karsten Voigt, Hans-Ulrich Klose, alle SPD). Die Studiengruppe tagt zum ersten Mal am 12. Januar 1962 und war „wohl überhaupt das erste größere Partei- und fachübergreifende außenpolitische Studienforum von internationalem Rang“ in der Bundesrepublik Deutschland. Am 24. Februar 1962 hielt sogar Robert F. Kennedy, Justizminister der USA, einen Vortrag über „The New Frontier and the New Europe“, den insgesamt über 600 Mitglieder, Gäste und Pressevertreter besuchten. Ein Jahr zuvor war Beginn eines internationalen Projekts „Strategie für Europa“ zwischen dem Institute for Strategic Studies (London), dem Centre d’Etudes de Politique Etrangère (Paris) und dem Forschungsinstitut der DGAP, das zu diversen Publikationen führte. ( Damals war die DGAP in zeiten des Kalten Krieges und der Abrüstungs- und Entspannungspolitik inhaltlich noch anders orientiert.

Die Jubiläumsrede des Ex-Präsidenten der DGASP zu deren 50. Jubiläum

Zum Abschluss dieses Dossiers sei noch ein aufschlussreicher Auszug aus der Festrede des damaligen Präsidenten Arnd Oetker zum 50. Jubiläum der DGAP im Jahr 2005 dargeboten: „Unter den 22 Mitgliedern des am 8. Juni 1955 konstituierten Forschungsausschusses, des späteren Wissenschaftlichen Direktoriums, waren Persönlichkeiten wie Arnold Bergstraesser, Marion Gräfin Dönhoff, Theodor Eschenburg, Wilhelm Grewe, Hans Rotfels, Ulrich Scheuner, Karl Schiller, Carlo Schmid und Günter Schmölders.

Von der Gründung an haben sich namhafte Politiker, Wirtschaftsführer und Wissenschaftler bereit
gefunden, leitende Funktionen in der DGAP zu übernehmen: die späteren Bundespräsidenten Karl Carstens, Richard von Weizsäcker, der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt und auch der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher, sowie aus der Wirtschaft Günter Henle, Fritz Berg, Hans L. Merkle, Ulrich Cartellieri und Alfred Freiherr von Oppenheim. Sie alle und eine Vielzahl von Politikern, Vertretern der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Publizistik haben zusammen mit den ständigen Mitarbeitern der Gesellschaft für Auswärtige Politik zu einer im In- und Ausland hoch geachteten Institution gemacht. Dafür gebührt ihnen heute in den meisten Fällen postum unser herzlicher Dank. Vieles verdanken wir unseren vier Präsidenten der Übergangsjahre: Werner Lamby, Ulrich Cartellieri, Hans-Dietrich Genscher und Alfred Freiherr von Oppenheim.“ Soweit die stolze Jubiläumsrede des damaligen DGAP-Präsidenten und Unternehmers Arnd Oetker.

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Schlussbemerkung: Mit diesem umfassenden Einblick in das Wirken der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ ist zugleich ein Einblick hinter die Kulissen des politischen Zusammenspiels von Politik, Wirtschaft und Rüstungsindustrie sowie Wissenschaft und Medien auf der Ebene der „Eliten“ gegeben. Damit wird die militärpolitische „Zeitenwende“ mit ihren Hintergründen und Zusammenhängen einsichtiger für uns als Staatsbürger und Wähler und als nicht beteiligter Souverän im demokratischen Staat.

Wilhelm Neurohr, 28. November 2023

www.Wilhelm-Neurohr.de

(Bei Bedarf kann das Dossier auch als pdf-Datei angefordert werden unter Email: Wilhelm.Neurohr@web.de)

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