05 Sep 2019

Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup: Maximale Rentabilität – Worum es im Kapitalismus vor allem geht

Maximale Rentabilität
Worum es im Kapitalismus vor allem geht

Heinz-J. Bontrup

Die marktwirtschaftliche Fundamentalthese von der „Herrschaft der Konsumenten“ über die
Produzenten, geht auf den liberalen Ökonom Adam Smith zurück und determiniert bis heute
übelste marktwirtschaftliche Ideologie. Für Smith ist Konsumenteninteresse ein
Allgemeininteresse, während das Produzenteninteresse lediglich als ein Partialinteresse von
Unternehmern eingestuft werden könne. Dies ist jedoch blanker Unsinn.
In einer marktwirtschaftlich-kapitalistischen Ordnung geht es nicht um die Befriedigung von
Verbrauchern, sondern realiter um eine maximale Expansion und Rentabilität von Kapital. Dies
verlangt nach einem ständigen Zwang zur Produktion (Wachstum) und Realisierung von
Mehrwert. Die Verbraucher sind dazu nur notwendiges Übel, genauso wie der abhängig
Beschäftigte vom Unternehmer zur Produktion von Mehrwert benötigt wird. Das
gesellschaftlich Unglaubliche ist dabei jedoch, dass Verbraucher und Beschäftigte, die auch
noch beides in einer Person verkörpern, dies nicht verstehen oder wahrhaben wollen und sich
täglich mystifizieren lassen.
Die naive Vorstellung, die Konsumbedürfnisse der Bevölkerung mit niedrigen Preisen,
maximalen Mengen und besten Warenqualitäten optimal zu befriedigen, steht völlig
widersprüchlich zum Ziel nach einer maximalen Profitrate eines jeden Unternehmers.
Unternehmer wollen Konsumenten nicht bedarfsgerecht versorgen bzw. wirtschaftliche
Knappheiten mindern, sondern im Gegenteil künstliche durch Anwendung subtiler Marketingund
Werbeinstrumente laufend neu schaffen.
Dazu stellte schon 1959 der Betriebswirt Wilhelm Rieger fest: „Dass eine Unternehmung sich als
Aufgabe die Versorgung des Marktes setzt, ist eine ganz unmögliche Vorstellung. (...) Von den
Unternehmern (...) könnte man eher behaupten, dass sie es außerordentlich bedauern, wenn
sie den Markt versorgen; denn je länger er nicht versorgt ist, desto länger die Aussicht auf
Absatz und Gewinn. Nichts hört der Kaufmann so ungern wie dies: Es gibt keinen Bedarf, der
Markt ist versorgt.“
So scheuen denn auch am Ende Unternehmer zur Absatzsteigerung selbst vor Korruption und
schwersten kriminellen Handlungen nicht zurück. Und fliegt ihr Handeln auf, sind alle
entsetzt. Dies manifestiert dann allerdings nur noch ein vollständiges Nichtwissen um die
Dinge, um die es im Kapitalismus geht.

Der Autor ist emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaft.
Erstveröffentlichung in Frankfurter Rundschau 4.9.2019, S. 16

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